Das Reich Gottes ist inwendig in euch
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Textauszug:
„Das
Reich Gottes kommt nicht so, daß man es an äußeren Zeichen erkennen könnte.
Man kann auch nicht sagen: Seht hier ist es! oder: Dort ist es! Denn: Das Reich
Gottes ist mitten unter euch; ist schon mitten unter euch; ist in euch; ist
inwendig in euch“. Alle Übersetzungen kommen vor, alle sind richtig, alle können
uns helfen, das Gemeinte besser zu verstehen.
Ein
Reich gehört von Anbeginn an zum Menschen: Zuerst das Reich, in das Gott ihn
hineingesetzt hatte, der Garten Eden, das Paradies, mitsamt dem
Herrschaftsauftrag: Wachset und mehret und macht euch untertan.... ein Reich bei
Gott und von Gott und mit Gott und in Gott.
Nachdem
der Mensch der Versuchung zugestimmt hatte, sein zu wollen wie Gott, seitdem
baut er sein eigenes Reich, ohne Gott und fern von ihm... Zu einem Reich gehören,
das erinnert er noch von seinem Ursprungsland: „Macht euch untertan“, dazu
gehören Fruchtbarkeit und überfließender Reichtum. Wenn es daran fehlt, muß
man es herbeischaffen; Aufbau und Erhaltung eines irdischen Reiches ist nicht
denkbar ohne Kampf...
Zahllos
sind die Variationen, in denen die Menschen die Gründung ihres Reiches versucht
haben, im Kleinen, im Großen, im ganz Großen. Blicken wir am Ende des zweiten
Jahrtausends unserer Menschheitsgeschichte ab anno navitatis Domini zurück auf
den Weg, den wir zurückgelegt haben, dann sehen wir rechts und links am Straßenrand
die Trümmer unserer zahllosen Reichsgründungen: Kaiserreiche, Königreiche, Fürstentümer,
das Reich der reinen Volksherrschaft, des Sozialismus, des Kommunismus, des
Nationalismus, die rasch vergangenen Reiche einzelner Diktatoren.
Heute
sind die tonangebenden Völker damit beschäftigt, ein globales Reich für die
ganze Menschheitsfamilie grundzulegen auf der Basis unseres ausgedehnten
Herrschaftswissens über die Kräfte, Gesetze und Stoffe, aus denen unsere Welt
gemacht ist und nach Überwindung unserer Sprachbarrieren dank der
weltumspannenden Informationstechnik, die uns eine Pseudo‑Allwissenheit
verschafft hat, eine Art Allgegenwärtigkeit auch, die es erlaubt, uns zu jeder
Zeit und an jedem Ort wenigstens mit einem Wort, einer Frage, einer
Stellungnahme einzumischen in das, was irgendwo auf dieser Welt geschieht. Die
Faszination, die von diesem entgrenzten Blick auf die Welt ausgeht, ist
bestimmend in unser Lebensgefühl eingedrungen; gleichzeitig wächst das
Unbehagen: Wo ist ein Ausgang auf dieser Welt? Auf welches Ende läuft sie zu?
Welche der ihr zuteil gewordenen Verheißungen behält das letzte Wort?
Die Krise, in der sich die
Christenheit beim zweiten Jahrtausendwechsel befindet, hat ihre lange und nicht
umkehrbare Entwicklung. Nicht umkehrbar, aber irgendwie aufhebbar muß sie sein,
überwindbar, ertragbar muß sie sein, wenn das uns von Christus erschlossene
Heil seine Wirksamkeit unter uns nicht verloren haben soll.
tieren
oder gar Rechtbehalten, sondern — nach dem Vorbild des Herrn — Formen des
Tragens, Ertragens, von Geduld und Demut, von Verzeihen und Barmherzigkeit, von
Zuvorkommen und in neuer Freiheit wieder entgegengehen. Immer bleibt der innere
Blick auf der Suche nach jener Spur der Gnade, die zur Bekehrung führen will.
Was sich widersetzt, wird im eigenen Herzen mitleidend ausgelitten, ausgehalten
und wieder gutgemacht.
Herz-Jesu-Frömmigkeit
macht empfindsam für verborgene Schuld. Unser Zeitalter ist gezeichnet von
Angst, die aus ungesühnter Schuld kommt: Wie weit haben sich die Menschen
entfernt aus dem Lichtkreis der Liebe und Barmherzigkeit Gottes! Uneingestandene
Schuld, unerkannter Hochmut, unkorrigierte Selbstherrlichkeit liegen schwer auf
den Seelen der Menschen. Viele leiden unter der stickig gewordenen Luft in
unserer permissiven Gesellschaft, die glaubt, in ein fades Meinen und Probieren
und alles Geltenlassen ausweichen zu können vor dem unerbittlichen Ernst göttlichen
und menschlichen Liebens und Sterbens.
Liebe
zum Herzen Jesu macht bereit, sich an die äußerste Grenze des Liebenwollens
und ‑könnens vorzuwagen, wo schließlich die größere Verähnlichung mit
seinem durchbohrten Herzen auch der Lohn der Liebe ist. Nicht spektakuläre
Werke sind gemeint — der Aufbruch zu den Pygmäen oder Gründung einer Aussätzigenstation;
es ist die Sanftmut des Herzens Jesu, die zum Aushalten von Untreue in Treue
bewegt, die zur Hinnahme von Undankbarkeit befähigt, ohne nachzulassen in der
Zuwendung, die das Übersehenwerden erträgt ohne Bitterkeit, Abhängigkeit aushält
ohne Einbuße an innerer Freiheit, die im niedrigen, verborgenen Dienst die größere
Nähe zum unter uns weilenden wirkenden Heiland findet. Liebe zum Herzen Jesu
befähigt zum Aufbruch in die finstersten Herzkammern jener, die vom Aussatz
verdrängter Schuld befallen sind, die sich aus Verzweiflung an sich selbst in
fade Vergnügen flüchten, die vor Gott stolz sein wollen — Das sind alles
Erfahrungen unserer inneren Gebrechlichkeit, die der Menschgewordene auf sich
genommen hat, deren Last wir mit umso größerer Freude tragen, je mehr wir
darin die Last seines Kreuzes erkennen.
Um
dieser Eigenart willen kommt der Herz-Jesu-Verehrung in der religiösen Krise
der Gegenwart eine dreifache Aufgabe zu: Erstens entfaltet sie in besonderer
Weise den personalen Charakter unserer Gottes‑ und Christusliebe. Dadurch
bewahrt sie unseren Glauben vor allen Tendenzen, die ihn ideologisieren,
institutionalisieren oder funktionalisieren möchten. Die liebende Bindung an
das Herz Jesu trägt stattdessen Entscheidendes bei zur Erhaltung der ganz persönlichen
Freiheit, in der sich der von der Kirche gelehrte und vermittelte Glaube im
Leben der Gläubigen auswirken kann.
Ende des Textauszugs