Ein Verehrer Mariens geht nicht verloren
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Im Vatikan gibt es einen
großen Saal. Er wird der Saal der Unbefleckten Empfängnis genannt. Der berühmte
Maler Podesti bemalte eine ganze Wand dieses großen Saales. Auf diesem Gemälde
hält er jenes Ereignis fest, als Papst Pius IX. ‑ von Kardinälen, Bischöfen,
Theologen, Priestern und Gläubigen umgeben ‑ im Petersdom die Unbefleckte
Empfängnis der Jungfrau Maria zum Glaubenssatz erklärte. Als das Gemälde
fertig war, kam der Papst und schaute sich das Bild aufmerksam an. „Das ist
Perrone“, sagte der Heilige Vater, „ein großer Theologe, der ein
ausgezeichnetes Buch über die Gottesmutter schrieb. Und das ist Passaglia,
unser großer Passaglia, ein frommer Priester, der die Gottesmutter innig liebt
und über sie ein dreibändiges Werk schrieb. Schön haben Sie ihn dargestellt,
Meister, und treu. Er ist hier wie lebendig.“ Darauf sagte der Maler: „Ich
habe ihn in das Gemälde hineingenommen, weil er wie ein Pfeiler des
Glaubenssatzes über die Unbefleckte Empfängnis ist.“ „Nein, lieber
Meister“, erwiderte der Papst. „Pfeiler jenes Glaubenssatzes ist weder
Passaglia noch Pius IX., sondern nur die Wahrheit selbst. Sie wissen doch, wie
wir Menschen sind, schwach und gebrechlich. Wie könnte ein Mensch ein Pfeiler
sein?“ Als der Maler nach Hause kam, dachte er noch lange über die Worte des
Heiligen Vaters nach.
Einige Jahre später verbreitete sich in Rom und dann in
ganz Italien eine unglaubliche Nachricht: Pater Passaglia, jetzt ein fünfzigjähriger
Priester, legte sein priesterliches Gewand ab, trat aus der Kirche aus, wurde
ein Feind des Glaubens, in Turin Chefredakteur einer freimaurerischen
Zeitschrift, die gegen der Glauben orientiert war, und griff den Papst an. All
das brachte ihm viel Geld ein. Im Jahre 1862 wurde er suspendiert.
Als diese Nachricht dann schon überall verbreitet war,
kam der Maler Podesti zum Papst und sagte zu ihm: „Heiliger Vater, befehlen
Sie mir, vom Gemälde im Saal der Immaculata die Darstellung Passaglias
wegzuwischen, und erlauben Sie mir, an seiner Stelle einen anderen katholischen
Theologen zu malen.“ Da sagte der Papst: „Und was wird sein, wenn sich sein
Nachfolger auf dem Bild auch so schwach zeigt? Nein, ich erlaube es nicht, die
Gestalt von Passaglia zu üben‑nalen. Viele Jahre arbeitete er mit seinem
Verstand zur Ehre der Gottesmutter. Die Gottesmutter wird es nicht erlauben, daß
er verlorengeht. Ein Verehrer Marlens geht nie verloren! Und schließlich: wie
viele Apostel gibt es auf der Darstellung des Abendmahles? Alle zwölf!“
Der Maler antwortete: „Heiliger Vater, ich verstehe!“
und ging weg. Und so blieb die Gestalt von Passaglia auf dem Gemälde und ist
dort bis heute.
Die Jahre vergingen.
Passaglia war alt geworden. Mit 75 Jahren fesselte ihn eine Krankheit ans Bett.
Er lag auf dem Rücken, die Augen zum Himmel gerichtet wie einst. Nun, in Stille
und Einsamkeit, dachte er über sein Leben nach. Er erlaubte keinem zu kommen,
denn seine Verführer und bösen Freunde wollten ihn auch während der Krankheit
noch beeinflussen. Und das Wunder geschah: Er ließ einen katholischen Priester
zu sich rufen und weinte lange, bis er endlich zu sprechen beginnen konnte. Er
bereute sein schreckliches, über 25 Jahre dauerndes Irregehen. Und bevor er
beichtete, schrie er auf. „Ich bereue, daß ich den Weg Mariens verlassen
habe, denn damals war ich am glücklichsten. Wie konnte ich nur ihre liebevoll
helfende Hand loslassen? Jetzt sehe ich, wie unklug ich war. Aber ein Verehrer
Mariens geht nicht verloren. Ich bitte um ein Blatt Papier.“ Und auf das
Papier schrieb er eigenhändig folgende Erklärung: „Ich, unterzeichnender
Passaglia, erkläre, daß ich meinem Irrweg entsage und ihn verwerfe, wie auch
all das, was die Kirche verworfen hat ...“ Dann beichtete er und war frei von
kirchlicher Strafe. Als ihm der Beichtvater die weiße Stola auf die Schulter
legte, begann er wieder zu weinen und rief aus: „Bin ich es wert, wieder das
priesterliche Gewand anzuziehen?“ Dann betete er innig das Glaubensbekenntnis,
und nach stiller Vorbereitung empfing er Jesus in der Hl. Eucharistie. Er weinte
vor Freude und Glück, daß Maria ihn nicht verlorengehen ließ. Vier Tage später,
am 12. März 1887, starb er, mit dem Herzen und den Lippen betend: „Gegrüßet
seist Du, Maria!“
Vielleicht werfen Sie die Frage ein, wie ein so kluger
und inniger Verehrer der Gottesmutter, ein so bewundernswerter Jesuitenpater von
Glauben abfallen konnte. Die Historiker stellten fest, daß er in der Zeit, in
der er das dreibändige Werk über die Unbefleckte Empfängnis schrieb, mit
Erlaubnis des Papstes das Gebet völlig unterließ, um dadurch sein Werk möglichst
früh beenden zu können.
Dies zeigt uns klar: Das Gebet, die Vereinigung mit Gott,
kann nicht einmal durch das Studium über die heiligste Jungfrau ersetzt werden.