Hl. Alfons Maria von Liguorio: Der Wille Gottes

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Textauszug:

Unsere ganze Vollkommenheit besteht darin, unseren über alles liebenswerten Gott zu lieben: die Liebe “ist das Band der Vollkommenheit” (Kol 3, 14). Nun, unseren Willen mit dem allheiligen Willen Gottes zu vereinigen: Das ist die ganze Vollkommenheit der göttlichen Liebe. Die hauptsächliche Wirkung der Liebe, so lehrt der hl. Dionysius, ist genau dies: Die Vereinigung der Willen, so daß bei denen, die sich lieben, nur mehr ein Wille bleibt. Je mehr also eine Seele dem göttlichen Willen geeint ist, um so größer wird ihre Liebe sein.

 

Ohne Zweifel sind Gott die Abtötungen, die Betrachtungen, die hl. Kommunionen, die Werke der Nächstenliebe wohlgefällig; aber unter welcher Bedingung sind sie es? Nur dann, wenn sie Seinen heiligen Willen als Richtschnur haben. Wenn dagegen bei all diesen Werken Sein heiliger Wille abwesend ist, so sagt man noch zu wenig, wenn man sagt: Er nimmt sie nicht an. Vielmehr sind sie Ihm ein Abscheu und Er bestraft sie. Stellen wir uns zwei Diener vor: Der eine ist den ganzen Tag in Bewegung, ohne einen Augenblick zu ruhen; aber er will nur nach seinem Kopf handeln. Der andere macht sich weniger Mühe, aber er gehorcht in allem. Wer von den beiden wird seinem Meister gefallen? Sicherlich der zweite und nicht der erste.

 

Wie könnten unsere Werke denn zur Ehre Gottes dienen, wenn sie nicht Seinem göttlichen Willen entsprechen würden? Nicht Opfer verlangt Gott, sagt der Prophet zu Saul, sondern die Ausführung Seines heiligen Willens. “Hat der Herr Wohlgefallen an Brandopfern und Opfergaben? Hat Er nicht vielmehr Wohlgefallen am Gehorsam gegenüber Seiner Stimme? Ihm zu widerstehen kommt dem Verbrechen des Götzendienstes gleich” (1 Kön 22, 23). Der Mensch, der danach strebt, seinem Eigenwillen zu folgen, ohne sich um den Willen Gottes zu kümmern, der begeht eine Art von Götzendienst; denn anstatt den göttlichen Willen anzubeten, ist es der eigene Wille, den er doch irgendwie anbetet.

 

Die größte Ehre also, die wir Gott geben können, ist dies: daß wir Seinen heiligen Willen erfüllen. Unser Erlöser ist auf diese Erde herabgekommen, um die Ehre Seines Vaters wiederherzustellen. Durch Sein Beispiel hat Er uns diese Lehre gegeben, die von allen die wichtigste ist! Höre, wie der hl. Paulus Ihn zu Seinem ewigen Vater sprechen läßt: “Nicht Opfer noch Gaben hast Du gewollt; aber Du hast mir einen Leib gegeben: Siehe, Gott, ich komme, um Deinen Willen zu erfüllen” (Hebr 10, 5‑7). Du hast die Opfer, die die Menschen Dir darbrachten, zurückgewiesen; Du willst, daß ich den Leib hinopfere, den Du mir gegeben hast: Hier, ich bin bereit, Deinen Willen zu erfüllen.

 

Daß Er auf diese Erde gekommen ist, um allein den Willen Seines Vaters zu erfüllen und nicht den Seinigen, dies erklärt Er mehrere Male: “Ich bin vom Himmel herabgestiegen, nicht um Meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der Mich gesandt hat” (Joh 4, 38). Welches Zeichen der Liebe gegenüber Seinem Vater wollte Er der Welt geben? Dieses Zeichen der Liebe war Sein Gehorsam gegenüber dem göttlichen Willen, der Ihm zum Opfer am Kreuz für das Heil der Welt bestimmte. Er sagte es im Ölgarten, als Er Seinen Feinden entgegenging, die kamen, um Ihn zu ergreifen und zum Tode zu führen: “Aber die Welt soll erkennen, daß Ich den Vater liebe und so handle, wie Mir der Vater aufgetragen hat. Stehet auf, wir wollen gehen” (Joh 14, 31). In gleich welchem Menschen will Er einen Bruder erkennen, unter der einzigen Bedingung, daß dieser den Willen Gottes tue: “Denn jeder, der den Willen Meines Vaters im Himmel tut, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter” (Mt 12, 50).

 

Die Heiligen haben niemals ein anderes Ziel vor Augen gehabt, als den Willen Gottes zu erfüllen: Sie verstanden sehr gut, daß die Vollkommenheit einer Seele nicht anderswo liegt.

 

“Gott”, sagte der sel. Heinrich Suso, “verlangt nicht, daß wir große Erleuchtungen haben sollen; was Er will, das ist eine totale Unterwerfung unter Seinen Willen.”

 

Die hl. Theresia von Avila sagt: “Die einzige Absicht dessen, der sich dem Gebet hingibt, muß die sein, mutig daran zu arbeiten, seinen Willen dem Willen Gottes gleichförmig zu machen. Seien wir überzeugt, daß darin die höchste Vollkommenheit besteht, die man im geistlichen Leben erreichen kann. Wer sich in dieser Übung mehr hervortut, wird von Gott größere Gunsterweise empfangen und wird in seinem inneren Leben schneller vorwärts kommen.”