Das Pentagramm

Wer heute ein Pentagramm (Abb. 1) sieht, denkt sofort an die Welt der Hexen, der Magie und des Okkulten. Tatsächlich ist das Pentagramm heute eines der am weitesten verbreiteten und wichtigsten Symbole der Esoterik und der Magie. Für die Wiccas (die neuen Hexen) ist das aufrechte Pentagramm ein positives Schutzsymbol, für die Satanisten ist das auf die Spitze gestellte Pentagramm ein Bild für den „gehörnten Gott“, für den Teufel also. Wenn sich heute ein Laden oder eine Publikation mit dem Pentagramm schmückt, kann man mit gutem Recht annehmen, dass man es hier mit Angeboten der Esoterik und der Magie zu tun bekommt. Das Pentagramm ist heute ein Symbol, das eindeutig in der Esoterik angesiedelt ist. Doch – und das ist die Frage, die immer wieder gestellt wird – ist jeder fünfzackige Stern ein „Pentagramm“ mit esoterischem Hintergrund? Darf man noch fünfzackige Weihnachsterne verwenden, und was ist, wenn solche Sterne als Muster ein Kleidungsstück zieren. Zieht solch ein Symbol automatisch dunkle Kräfte an?

Um hier Klarheit zu schaffen und einen nüchternen klugen Umgang mit diesem Symbol zu finden, ist ein Blick in die Herkunft dieses Zeichens hilfreich. Denn so eindeutig böse ist das Pentagramm vom Ursprung her nicht. Als eines der Ur- und Natursymbole ist das Pentagramm seit Jahrtausenden in Verwendung und hat die unterschiedlichsten Bedeutungen und Verwendungen erfahren. Auch als ausdrücklich christliches Zeichen fand man das Pentagramm, bevor es vor gar nicht allzu langer Zeit endgültig zu einem Zeichen der Esoterik wurde. Doch davon später.

 

Der Begriff

Der Begriff „Pentagramm“ kommt aus dem Griechischen (pentagrammos = mit fünf Linien). In Griechenland wird es auch als das „Pentalpha“ bezeichnet, da es fünfmal den Buchstaben Alpha enthält. Als Universal und Natursymbol findet man es auf allen Kontinenten.

 

Bedeutungsvielfalt als Natursymbol

Das Pentagramm kann als Symbol für den Menschen gelten, als Zeichen für Geist (1) und Materie (4), im fernen Osten als Symbol für die fünf Elemente (Wasser, Erde, Feuer, Metall, Holz), als Symbol für Fruchtbarkeit, Weisheit, Wahrheit, Harmonie, ... u. v. m.

 

Die frühe Geschichte

Die frühesten Pentagramme finden sich bereits in der Steinzeit, in Höhlenwände geritzt. Was die Menschen damals damit verbanden bleibt freilich im Dunklen.

Um 3500 vor Christus taucht es in der sumerischen Kultur Mesopotamiens auf. Zunächst ist es lediglich ein Piktogramm für „Ecke“ oder „Winkel“. Später wird es dort in königlichen Inschriften verwendet und weist auf die imperiale Macht des Herrschers über alle vier Himmelsrichtungen hin. In der heidnischen Götterwelt der Antike wird das Pentagramm der griechischen Jungfraugöttin Kore (lat. Ceres) zugeordnet – in Bezugnahme auf den Apfel, mit dem diese Göttin dargestellt wurde: das Kerngehäuse des Apfels erinnert bei glattem Durchschnitt an ein Pentagramm. Auch für die Göttin Venus wurde das Pentagramm als Symbol gewählt – was auf den Umstand zurückzuführen ist, dass der Planet Venus von der Erde aus gesehen im Laufe von acht Jahren während seines Umlaufs um die Sonne ein Pentagramm am Sternenhimmel umschreibt. Da man dieses Symbol in einem Zug zeichnen kann, wird es auch verstanden als Symbol für den Kreislauf des Lebens.

 

Die Pythagoräer

Für Pythagoras und seine Schüler wurde das Pentagramm aufgrund seiner mathematischen Qualitäten zum wichtigsten, ja zu einem universellen Symbol. Der goldene Schnitt kommt allein darin 10 mal vor. So versuchten die Pythagoräer alle wesentlichen geometrischen Gesetze aus dem Pentagramm ableiten. Pythagoras war sicher, dass die darin enthaltenen Proportionen und Zahlenverhältnisse der ganzen Schöpfung zugrunde liegen. Es repräsentiert absolute Harmonie und Schönheit. Es wird als Zeichen für die göttliche Ästhetik gesehen, die allen Wesen innewohnt. So wurde es zum Symbol für den Menschen und die geistige Wahrheit. Für die Schule des Pythagoras wird das Pentagramm zum geheimen Erkennungszeichen.

Es galt als Zeichen für das Wort „Gesundheit“ (hygiea) und wurde damit zum Signum Sanitatis. Mitglieder dieser Schule setzten es als Wunschformel an den Beginn ihrer Briefe. Das Pentagramm konnte so auch einfach als „hygiea“ benannt werden.

 

Das Pentagramm bei den Juden

Auch bei den Hebräern fand das Pentagramm seine Verwendung. Es wurde als Symbol für die fünf Bücher Mose verstanden – und damit als ein Zeichen für die göttliche Wahrheit. Bereits aus der Zeit des ersten Tempels liegen archäologische Funde vor, die es zeigen. Zwischen 300 und 150 vor Christus taucht das Pentagramm als offizielles Siegel Jerusalems auf. Als solches schmückte es Waffen und Schilde. Möglicherweise hat dieser Gebrauch des Pentagramms dazu geführt, dass es später auch als der „Stern des Ostens“ bezeichnet wurde. In den Ruinen der Synagoge von Kapharnaum (4. Jhdt. n. Chr.) findet man heute noch ein Pentagramm (in der Form des „ewigen Knotens“, vgl. Abb. 2) -

In der jüdischen Mystik wurde es auch als das Siegel Salomos bezeichnet (nachweislich ab dem 14. Jhdt. n. Chr.) – als solches galt es bereits als okkultes Symbol, dessen Gebrauch magische Kräfte verleihen könne.

Als Banner und Heilszeichen wurde es schon im 3. Jhdt. v. Chr. von Antiochus Soter im Kampf an den Schilden angebracht. Dieser Brauch wurde auch von den byzantinischen Kaisern weitergeführt. Die Verwendung des Pentagramms als Schutzsymbol im Kampf könnte den Hintergrund für die Verwendung dieser Sternenform zur Kennzeichnung militärischer Ränge auch in moderner Zeit bilden.

 

Die christliche Bedeutung des Pentagramms

Während die Zahl Fünf in der jüdischen Zahlensymbolik von untergeordneter Bedeutung bleibt, erhielt sie im Christentum ein größeres Gewicht. Jesus segnet die „Fünf Brote“, da ist die Rede von „fünf klugen“ und „fünf törichten“ Jungfrauen, vor allem aber trägt der Leib des Auferstandenen die fünf Wunden. Von der frühen Christenheit bis in das hohe Mittelalter wurde daher auch das Pentagramm als christliches Symbol verwendet. Es stand zunächst für die fünf Wunden Christi, denen das Heil der Welt entströmt (eine interessante Verbindung des allbekannten Heilszeichens mit den Wunden Christi). Kaiser Konstantin hatte das Pentagramm in seinem Siegel, gemeinsam mit dem Chi-Ro Symbol.

Während das Kreuz als Symbol des Leidens Verwendung fand, stand das Pentagramm als Symbol für Wahrheit (Signum Veritatis). So wurde auch der Stern von Bethlehem als Pentagramm dargestellt. Als Symbol der Epiphanie erinnerte das Pentagramm daran, dass durch diesen Stern die Magier aus dem Morgenland zur Wahrheit geführt wurden. Insofern ist es auch zu verstehen, wenn heute solche „Sterne von Bethlehem“ (Abb. 3) im Rahmen einer Weihnachtsaktion zur Unterstützung der Christen im Heiligen Land verkauft werden.

Im europäischen Rittertum begegnet das Pentagramm auch als Symbol für die fünf ritterlichen Tugenden Edelmut, Höflichkeit, Reinheit, Tapferkeit und Frömmigkeit.

Stilisierte Fünfecke oder fünfstrahlige Elemente finden sich zahlreich in gotischen Kirchen (vgl. Abb. 4). Die Marktkirche von Hannover trägt weithin sichtbar ein Pentagramm auf der Außenfassade des Turmes (vgl. Abb. 5).

Im christlichen Mittelalter wird das Pentagramm als „unendlicher Knoten“ und Symbol der Wahrheit auch als dämonenabwehrendes Zeichen verwendet. Als solches trägt man es gleich einem Amulett oder bringt es an Gebäuden, Türen und Fenstern an. Dabei bedeutete das aufrecht stehende Pentagramm zunächst bloß den Sommer, das umgedrehte (mit zwei Spitzen nach oben) den Winter.

In den deutschsprachigen Ländern ist das Pentagramm auch als „Drudenfuß“ bekannt. Diese Bezeichnung kommt von dem Glauben, dass die Druden1einen Gänse- oder Entenfuß hätten, dessen Abdruck dem Pentagramm gleiche.

Aber auch als solches wird es zusammen mit christlichen Symbolen gebraucht: Eine Kinderwiege, die am Fußende das IHS Symbol trägt und am Kopfende das Dämonenabwehrende Pentagramm ist nichts ungewöhnliches (vgl. Abb. 6). Ein Ring mit dem Pentagramm, an dessen Sternspitzen die Buchstaben SALUS zu finden sind ebenso wenig (vgl. Abb 7).

Von daher ist es auch zu verstehen, wenn Johannes De La Salle den Fünfzackigen Stern als „Signum Fidei“ zum Siegel des Ordens der Schulbrüder erwählt (vgl. Abb. 8). Im 17. Jahrhundert wurde dieser Stern noch nicht verdächtigt.

 

Das Pentagramm als okkultes Symbol

Aufgrund seiner Bedeutung als Symbol der „Weisheit“ hat das Pentagramm auch in den meisten esoterischen Traditionen seinen besonderen Stellenwert. Die ersten Verdächtigungen des Pentagramms als Symbol des Bösen sind dann auch nach manchen Vermutungen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen das Ketzertum des späten Mittelalters zu sehen. Das Pentagramm wurde schließlich auch von denen verwendet, die noch dem Pan und anderen heidnischen Gottheiten huldigten. Außerdem fand das Pentagramm auch seinen Platz in den Okkultgesellschaften und Alchemistenkreisen, die ab der Renaissancezeit vermehrt entstanden. Nach und nach taucht das Pentagramm im Zusammenhang mit schwarzer Magie auf. Sowohl Paracelsus, als auch Cornelius Agrippa von Nettesheim nehmen breit Bezug auf die magische Bedeutung des Pentagramms. Dabei steht es aber vor allem als Symbol für den Menschen (vgl. Abb 9). Am Beginn des 18. Jhdts. griffen auch die Freimaurer, denen die pythagoreische Geometrie sehr wichtig war, dieses Symbol auf.

In Bezug auf den magischen Gebrauch dieses Zeichens ist festzuhalten, dass es bis vor wenigen Jahrzehnten als Schutzzeichen gegen Hexen oder Dämonen verstanden wurde. Als solches verwendet es auch Goethes Faust, wenn er Mephisto ruft.

Diese Hintergründe lassen auch verstehen, warum das (durchgezeichnete) Pentagramm in der Kirche schließlich immer weniger Verwendung fand.

Die Deutung des auf die Spitze gestellten Pentagramms als Symbol für den Teufel (vgl. Abb. 10) geht allerdings erst auf Elipahs Levi (1810-1875) zurück und ist damit noch keine zweihundert Jahre alt2. Ausgehend von seinen Schriften fand das Pentagramm seine

1 Druden (auch Truden, von got. Trudan, altnordisch trotha „treten, stoßen“), besonders in Süddeutschland und Österreich verbreitete Bezeichnung für weibliche dämonische Wesen, die im Schlaf ängisten (wie der Alp) oder bösen Zauber treiben. Das Wort Trud (mittelhochdeutsch „Gespenst“) wird zu einem Synonym für Hexe.

2 „Das Pentagramm, das man in den gnostischen Schulen den flammenden Stern nennt, ist das Zeichen der Allmacht und der geistigen Selbstherrschaft. Es ist der Stern der Magier, das Zeichen des fleischgewordenen Wortes, und je nach der Richtung seiner Strahlen stellt dieses Symbol in der Magie das Gute oder das Böse, die Ordnung oder die Unordnung, das heilige Lamm des Ormuts und des hl. Johannes oder den teuflischen Bock von Mendes dar. ... Zeigt das Pentagramm mit zwei seiner Strahlen nach oben, so stellt es den Satan oder den Bock des Sabbat dar, ist nur einer seiner Strahlen nach oben gerichtet, so bezeichnet es den Erlöser ...“ Levi, Eliphas, Geschichte der Magie, Bern 1997, Seite 345

Verwendung in der neuen Ritualmagie. Der Magier, der sich vor dem Angriff dunkler Kräfte schützen will, zeichnet mit dem „magischen Schwert“ das „Pentakel“ auf den Boden: einen (Schutz-) Kreis in den das Pentagramm eingeschrieben wird. Der Magier stellt sich in die Mitte dieses Pentakels und führt dort seine Rituale aus.

In den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts wählte Gerald Gardner (der Begründer der neuheidnischen Wicca Bewegung) das auf der Spitze stehende Pentagramm als Siegel der Einweihung.

Schließlich wählte auch Anton Szandor La Vey dieses Pentagramm (oder auch Siegel des Baphomet) im Jahre 1966 als Siegel der „Church of Satan“. Seit den späten 60er Jahren des 20. Jahrhunderts avancierte das Pentagramm zum Siegel aller echten Satanisten und Pseudo-Satanisten. Heute ist das Pentagramm das Symbol der Magie und des Hexentums schlechthin. Mit der Spitze nach oben weißt es hin auf weiße, mit der Spitze nach unten auf schwarze Magie.

 

Wie geht man um mit dem Pentagramm?

Symbole erhalten ihre Kraft durch die Bedeutung, die ihnen Menschen beimessen. Diese Bedeutung ergibt sich auch aus der Geschichte. So können Natur- und Ursymbole die eine reiche Geschichte und vielfältige Bedeutungen aufweisen, schließlich doch in einer ganz bestimmten Weise verstanden werden. So wie das Kreuz heute mit Christus in Verbindung gebracht wird, die Swastika (Hakenkreuz) aufgrund der jüngeren Geschichte mit dem Nationalsozialismus und seiner Gräuel, weist das Pentagramm heute in die Welt des Okkulten, der Hexen und des Satanismus.

Unter dem Pentagramm ist dabei der „durchgezeichnete“ Fünfzack zu verstehen (also jener fünfzackige Stern, bei dem alle Linen sichtbar sind.) Wo heute dieses Zeichen angebracht wird, ist Vorsicht geboten (etwa bei Einrichtungen oder Vereinigungen, die dieses Zeichen als Werbebanner verwenden). Als Christ sollte man diesen Fünfzack mit den durchgezogenen Linien nicht verwenden.

Dabei wird nicht jeder fünfzackige Stern als Pentagramm im esoterischen Sinne verstanden. Das gilt vor allem bei Sternen, in denen die Linien nicht durchgezeichnet sind. Solche Sterne finden wir als Weihnachtsschmuck, sie finden sich auf der wundertätigen Medaille, in der Europaflagge (und vielen Wappen), man findet ihn als Ornament auf Kleidungsstücken, etc. Außerdem ist zu bedenken, dass in Kunst- und Andachtsgegenständen, die älter als 50 Jahre sind, das Pentagramm in einer Bedeutung erscheinen kann, die mit Esoterik oder Magie nichts gemein hat3. Man muss nicht alle Krippendarstellungen, in denen der Stern von Bethlehem als Fünfzack dargestellt ist, beseitigen. Man kann in den alten Kirchen, in denen man den Fünfzack oder auch ausdrücklich das Pentagramm sieht, sein Andenken an die Wunden Christi richten. Auch wenn dieses Symbol heute von den Neuheiden fast völlig vereinnahmt wurde, dürfen wir nicht vergessen, dass es auch eine ältere Tradition gibt, in der es auch christlich gedeutet wurde.

P. Dr. Clemens Pilar COp

 

Quellen:

BÄCHTHOLD-STÄUBLI, HANS, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Berlin 2000

BAUER, W., DÜMOTZ, I., GOLOWIN, S., Lexikon der Symbole, München 1998

3 Es ist bezeichnend, dass in einem Werk über die Bedeutung der Symbole aus dem Jahre 1961 das Faktum, dass das Pentagramm von Hexen oder Satanisten verwendet wird, noch nicht bekannt ist (vgl. Forstner, Die Welt der Symbole, Seite 86)

BECKER, UDO, Lexikon der Symbole, Freiburg 2002

DRURY, NEVILL, Lexikon esoterischen Wissens, München 1985

EDER, ASHER, Der Davidstern, Jerusalem 1982

FORSTNER, DOROTHEA, Die Welt der Symbole, Innsbruck 1961

HANSMANN, L., KRISS-RETTENBECK, L., Amulett, Talisman, Magie, Hamburg 1999

LEVI, ELIPHAS, Geschichte der Magie, München 1997

NETTESHEIM, CORNELIUS AGRIPPA V., Die Magischen Werke, Wiesbaden 1997

Abbildungen:

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3

Abb. 4: Steinernes Relief

auf der Ummantelung eines Taufbeckens, 13. Jhdt., Split

Abb. 5. Marktkirche von Hannover

Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8

Abb. 9 Abb. 10

Word

PDF