02. Juni 2013

Die Grünen-Chefin Claudia Roth im Interview (Auszüge)

BILD am SONNTAG 2.06.2013

http://www.bild.de/politik/inland/claudia-roth/klaert-ob-man-deutschland-als-robin-hood-regieren-kann-30650608.bild.html

BILD am SONNTAG: Sie sind aus der katholischen Kirche ausgetreten und trotzdem ein Fan von Franziskus?

CLAUDIA ROTH: Vom neuen Papst bin ich tatsächlich angetan. Mir gefällt sehr, wie Franziskus Solidarität anmahnt. Seine Argumente sind auch meine. Als Kind bin ich mit meiner Großmutter oft im Franziskanerkloster gewesen. Da ist viel hängengeblieben von Franz von Assisi, von seinem Sonnengesang, von der Verantwortung gegenüber anderen Menschen und der Natur. Eigentlich könnte der neue Papst sogar Ehrenmitglied von Attac (*) sein.

BILD am SONNTAG: Könnte die Kirche von Franziskus auch wieder die Ihrige werden?

CLAUDIA ROTH: Mit der Institution katholische Kirche habe ich doch noch meine Probleme. Sie muss endlich auch Frauen in den Kirchen zu Wort kommen lassen und alle Lebensweisen gleich achten. Da gibt es einen hohen Reformbedarf. In der globalen Gerechtigkeitsfrage, der Flüchtlingspolitik und der Bewahrung der Schöpfung ist die katholische Kirche unter Franziskus aber tatsächlich ein Bündnispartner für mich.

BILD am SONNTAG: Sind Sie ein gläubiger Mensch?

CLAUDIA ROTH: Ich bin auf der Suche. Doch es fällt mir leichter, an die Menschenrechte und unser Grundgesetz zu glauben als an Himmel und Hölle.

BILD am SONNTAG: Die Grünen gelten als eine besonders moralische Partei. Jetzt müssen Sie sich mit Vorwürfen auseinandersetzen, wie bekennende Pädophile bei den Grünen aktiv waren. Wie sehr schadet das dem Image der „besseren“ Partei?

CLAUDIA ROTH: Wir sind nicht die besseren Menschen und auch nicht unfehlbar. Es sind eindeutig und objektiv Fehler passiert. In den Anfangszeiten der Grünen hat es Personen und Gruppen gegeben, die versucht haben, die Grünen als Plattform für inakzeptable Positionen zu nutzen. Straffreiheit für sexuelle Beziehungen mit Kindern zu fordern, ist in keinster Weise akzeptabel und unsäglich. Wir werden deshalb unsere Geschichte in diesem Punkt unabhängig und umfassend aufarbeiten.

BILD am SONNTAG: Bei Grünen-Parteitagen kamen Kinder auf die Bühne und erzählten, wie toll der Sex mit Papa ist. Warum ist niemand auf die Idee gekommen, die Polizei oder zumindest das Jugendamt zu rufen?

CLAUDIA ROTH: Die Grünen waren aus guten Gründen sehr skeptisch gegenüber dem Staat der damaligen Zeit, gegenüber der Polizei oder auch den Jugendämtern. Und sie wollten grundsätzlich offen für Debatten sein, auch den abseitigen. Die Polizei war zum ersten Mal auf Grünen-Parteitagen, als Joschka Fischer Außenminister war. Vorher wollten wir keinen Schutz und befürchteten Kontrolle. Auch dank der Grünen hat sich dieser Staat inzwischen jedoch sehr verändert. Heute können wir deshalb diese Entscheidungen nur noch schwer verstehen.

(*) Attac, das globalisierungskritische Netzwerk, setzt sich für eine sozial und ökologisch gestaltete Globalisierung ein. http://www.attac.de/