29.05.2018

5. Sonntag in der Osterzeit 1987)

„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“

Unser Christentum besteht nicht aus einer Vielzahl von Glaubenswahrheiten, die es gilt, als Wissensgut durch das Leben zu tragen. O nein — es ist die Nachfolge Christi, der von sich sagt:

„Ich bin der Weg, der einzig wahre Weg, der zum Ziel führt.“

Unser Christentum besteht nicht aus einer Unzahl von Geboten und Verboten, die unsere Freiheit beschneiden. O nein — es ist der Blick auf Christus, der von sich sagt:

„Ich bin das Licht der Welt, das alle Finsternisse erhellt.“

Unser Christentum ist nicht das „Übermenschentum“ des Nietzsche. O nein — es ist das Leben in, aus und durch Christus, der sagt:

„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Denn Jeder, der an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.“

Auf diesem Glauben an Christus als Weg, Wahrheit und Leben gründet das Vertrauen auf das Wort Jesu: „Seid ohne Angst, glaubt an Gott und glaubt an mich. Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten.“

Wer in dieser Zuversicht lebt, schaut über die Schrecken des Todes hinaus auf das Leben in der Geborgenheit Gottes.

Das Leben aber bleibt sinnlos, wenn man es nur weltlich deuten will.“ (Ruth Pfau)

Ja, ein Leben, das man nur weltlich deuten will, ist sinnlos, denn es gleicht einem Karusselpferd, das in lächerlicher Selbstgefälligkeit nur um sich selbst kreist. Es sperrt Gott aus und gewährt jedem Unhold Zutritt. Es hat keinen Wert vorzuweisen, da es ohne festes Fundament und ohne Ziel in die Höhe schwebt. Es ist vergeudete und verschenkte Zeit, da es keine wesentlichen Dinge tut und oft ertrinkt im Mißbrauch vergänglicher Lust.

Ein Leben, das mit Riesenschritten dem Nichts zueilt, erzeugt Angst. Angst vor den unheimlichen Kräften der Natur, denen man hilflos ausgeliefert ist, weil man sie nicht deuten kann. Angst vor den Mitmenschen, denen man nur mit Argwohn begegnen kann, da es Treue und Glaube nicht gibt. Angst vor dem eigenen Leben, vor dem Krankwerden, vor dem Altern und vor dem Sterben.

Ein Leben, das sich dem Schöpfer nicht verantwortlich weiß, kann seiner Umgebung nicht Segen sein, weil es in seiner Nähe alles erbeben und erzittern lässt, besonders jene zu Boden drückt, die zur größten Liebe bereit sind, den Menschen unfähig macht, das Leben mutig in seine Hände zu nehmen und zu den Ufern des Lichtes zu steuern.

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“

Jesus weiß, dass sein Weg ihn führt aus der Einsamkeit des Gethsemanegartens, wo es gilt, das: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ zu sagen, hinauf zum Golgotha seiner Todesstunde. Wo das Leben endet mit: „Vater, in deine Hände lege ich meine Seele.“ Diese Wegstrecke heißt Kreuzweg. Muss nicht auch der Weg, den wir durch diese Erdenzeit wandern, ein Kreuzweg sein?

Jesus weiß, dass am Rande dieses opferreichen Lebens ein Berg liegt, von dem Lichtstrahlen in das Dunkel seines Lebens fallen, die ihm immer wieder Trost schenken in seiner Trauer. Jener Tabor, zu dem er immer wieder aufsteigt, um in seines Vaters Armen zu ruhen. Ist dieser Tabor nicht auch uns gegeben, um hier immer wieder neue Kraft aufzutanken auf der Weiterfahrt durch diese Erdentage?

Jesus weiß, dass der Tod nur dem irdischen Leben ein Ende setzt. Das wahre Leben ist dem Zugriff des Todes entzogen. Es liegt in der Sphäre Gottes, seines Vaters, der die Heimkehr seines Sohnes ersehnt.

Ist dieses göttliche Leben nicht schon seit der Taufe samenhaft in unserer Seele, um zur Vollreife zu gelangen bis zum Tag der Heimkehr?

Lasset uns beten:

Dreifaltiger Gott, steh auf in meinem Leben! Lass nicht zu, dass alles Mögliche in mir wirklich sei, nur Du nicht. Dass ich den Tag hindurch an tausend Dinge denke, nur nicht an Dich. Mich morgens und abends mühsam an Dich erinnern müsse und wieder schnell von Dir weglaufe. Sei Du in meinem Leben Jener, der wahrhaft, wirklich und heilig ist: Gott, Vater, Bruder, Beistand.“

(Romano Guardini)