08.04.2018

Zweiter Sonntag nach Ostern 1987

„Selig, die nicht sehen und doch glauben!“

Wir leben im Atomzeitalter, in einer Zeit, die uns so viele Segnungen versprochen hat und doch soviel Enttäuschung bereitete.

Mit einem kritischen Verstand sind wir stolz eingedrungen in die Geheimnisse unserer Schöpfung und haben uns zum Herrn dieser Welt gemacht. Haben wir damit aber wirklich eine Bereicherung unseres Lebens erfahren?

Wir haben auf dem Gebiet der Naturwissenschaft Staunenswertes erreicht. Wir vermögen den Kern eines Atoms, den kleinsten Baustein unseres Weltalls, zu zertrümmern und nun befürchten wir, dass die Urgewalt dieser Atomenergie unseren ganzen Planeten zertrümmern wird.

Wir haben auf dem Gebiet der Medizin herrliche Erfolge gehabt. Die Kindersterblichkeit ist auf ein Minimum gesenkt, die Lebenserwartung ist um viele Jahre gestiegen und doch sind wir ein sterbendes Volk und bereiten uns selbst das Grab.

Wir haben auf dem Gebiet der Theologie völlig neue Wege beschritten. Durch die Entmythologisierung der Offenbarung haben wir den historischen Kern herausgeschält und damit den göttlichen Odem ausgelöscht. Denn nun stehen wir vor der Frohbotschaft des Herrn wie vor einem Baum, dessen Früchte, die unseren Hunger stillen sollten, abgeerntet sind, wie vor einem Brunnen, dessen Wasser, die unseren Durst stillen sollten, ausgetrocknet sind, wie vor einem Strauch, dessen Blüten, die Herz und Sinn erfreuen sollten, verwelkt sind.

Ja, wer Gott finden will, darf ihn nicht suchen mit einem kritischen Geist. Nur wer Gott mit dem Herzen sucht, dem kommt er entgegen mit umarmender Liebe.

Im heutigen Evangelium begegnet uns ein Mann, der nur anerkennen will, was er begreifen kann, der Apostel Thomas mit dem Beinamen „der Blinde, der Ungläubige, der Zweifler“.

Gewiss möchte er gern glauben, was seine Freunde ihm berichten, dass sie den Meister gesehen, gesprochen erlebt hätten. Gewiss weiss er, als Zeuge all der Wunder seines Herrn, dass ihm nichts unmöglich war. Gewiss ist ihm noch in Erinnerung das Wort Jesu: „Wir gehen hinauf nach Jerusalem und dort wird geschehen, was die Propheten vom Messias gesagt haben. Man wird ihn geißeln, mit Dornen krönen, ja, ans Kreuz schlagen. Aber am dritten Tag wird er wieder auferstehen.“ Aber der Wurm des Zweifels nagt an seinem Herzen. Er will selbst den Auf-erstandenen sehen, hören, berühren, ja, „wenn ich nicht meine Finger in die Wundmale seiner Hände und Füße lege und meine Hand in seine Herzenswunde, dann glaube ich nicht.“

Es ist schon sehr anmaßend, was da dieser Thomas fordert. Aber geht es uns nicht ähnlich, wenn unser Glaube einmal hart auf die Probe gestellt wird, wenn die Armen immer ärmer werden und die Reichen durch die Ausbeutung der Armen immer noch reicher werden. Fragen wir uns dann nicht: „Warum schweigst du, o Gott?“ Wenn ein junger Mensch durch den Tod aus dem Familienkreis entrissen wird und der Urgroßvater, der sich nach dem Tode sehnt, von ihm übersehen wird. Fragen wir uns dann nicht: „Wo bleibt denn da Gottes Barmherzigkeit?“ Wenn die bösen Menschen ein so sorgenfreies Leben führen und die Guten terrorisieren und zu Tode quälen. Fragen wir dann nicht: „Warum lässt das ein gerechter Gott zu?“

Ja, wenn, wenn, wenn. — Schwingt da nicht mit die Haltung des Thomas: „Wenn ich nicht meine Finger, wenn ich nicht meine Hand, — dann glaube ich nicht.“

Doch da steht plötzlich der Auferstandene, wie vor acht Tagen im Kreis seiner Jünger, und Thomas sinkt, wie vom Blitz getroffen, in die Knie und bekennt: „Mein Herr und mein Meister!“ Und der Herr und Meister erfüllt den Wunsch seines Apostels und sagt: „Nun tu doch, was du als Bedingung deines Glaubens gefordert hast!“ Und er fügt hinzu: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“

Selig, die nicht sehen und doch glauben!“ Ist das nicht ein Faustpfand in unseren Händen, wenn wir einst in den Gerichtsschranken unseres Herrn stehen werden? Was können wir denn schon vorweisen an großen Werken? Aber eines wollen wir gewiss sagen: „Herr, ich habe dich nicht gesehen, ich habe meine Hand nicht in deine Herzenswunde gelegt, aber ich habe immer bekannt, dass du mein Herr und mein Gott bist!“