26.06.2017

Hl. Franz von Sales (1567 — 1622), Kirchenlehrer zum Evangelium vom 26.06.2017

Glücklich, wer stets in der Furcht lebt (Spr 28,14), wer sich mit der Erwägung seiner eigenen Fehler befaßt und die Augen nicht öffnet,.um die Fehler der anderen zu betrachten. Die Lebewesen bei Ezechiel (1,9.12) richteten ihre Augen geradeaus und bewegten sich nur vorwärts; so betrachten auch die guten Menschen nur ihre eigenen Unvollkommenheiten und die Bösen sind nur hinter ihnen her, um der Spur der Handlungen des Nächsten zu folgen. Und ihr könnt beobachten, dass diejenigen, die an den geringsten Fehlern des Nächsten etwas auszusetzen finden, gewöhnlich selbst recht große unterhalten.

In Wahrheit ist es eine anerkannte Erfahrung, dass die meisten dieser Menschen nur Splitter in ihren eigenen Augen sehen, weil sie meinen, das Auge ihres Bruders sei durch einen Balken erblindet (vgl. Mt 7,3).

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Meine Zunge ist, während ich vom Nächsten spreche, wie das Messer in der Hand des Chirurgen, der zwischen Nerven und Sehnen schneidet. Der von mir beabsichtigte Schnitt muss so haargenau geführt werden, dass ich nicht mehr und nicht weniger sage, als wirklich an der Sache ist. Außerdem muss ich beim Tadeln eines Fehlers so viel wie möglich die Person dessen schonen, der ihn begangen hat.