20.06.2017

Hl. Thérèse von Lisieux (1873 — 1887), Kirchenlehrerin zur Feindesliebe = zum Evangelium vom 20.06.2017

„Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5,43-44). Kein Zweifel, im Karmel trifft man nicht auf Feinde, Sympathien jedoch spielen durchaus eine Rolle. Von einer Schwester fühlt man sich angezogen, wegen einer anderen jedoch macht man einen weiten Umweg, um eine Begegnung zu vermeiden. So wird diese, ohne es zu wissen, zu einer Verfolgten. Jesus nun sagt mir, dass ich diese Schwester lieben soll, dass ich für sie beten soll, auch wenn ihr Verhalten mich zu der Annahme bringen sollte, dass sie mich nicht liebt: „Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?“

Und lieben reicht nicht, man muss dafür den Beweis antreten. Normalerweise freut man sich darüber, wenn man einem Freund etwas schenken kann, vor allem Überraschungsgeschenke sind beliebt. Das jedoch ist keine Nächstenliebe, denn so verhalten sich auch die Sünder. Dazu gibt mir Jesus noch folgende Lehre: „Gebt jeden, der euch bittet. Und wenn man euch etwas wegnimmt, was euch gehört, verlangt es nicht zurück“. Gebt allen, die euch bitten: das ist weniger angenehm als wenn man aus einer Herzensregung heraus selbst ein Angebot macht... Wenn es schon schwer ist, jedem Bittsteller etwas zu geben, so ist es noch viel schwerer, sich wegnehmen zu lassen, was einem gehört, ohne es zurückzuverlangen.

Liebe Mutter, ich sage, dass es schwer ist; ich sollte besser sagen, dass es schwer zu sein scheint; denn das Joch des Herrn drückt nicht, und seine Last ist leicht (Mt 11,30). Sobald man das Joch annimmt, spürt man, wie leicht es ist, und man ruft mit dem Psalmisten aus: „Ich eile voran auf dem Weg deiner Gebote, denn mein Herz machst du weit“ (Ps 118,32). Seitdem dieses friedliche Feuer mein Herz verzehrt, laufe ich voll Freude auf dem Weg deines neuen Gebotes (Joh 13,34).