10.05.2017

Hl. Augustinus (354-430), Bischof von Hippo, Kirchenlehrer zum heutigen Evangelium

Unter diesen Umständen und mit Rücksicht auf sein nahes Leiden „rief Jesus und sprach“, womit die heutige Lesung begann: „Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat, und wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat“. Bereits hatte er anderswo gesagt: „Meine Lehre ist nicht die meinige, sondern dessen, der mich gesandt hat“. Dies haben wir so verstanden, er habe seine Lehre das Wort des Vaters genannt, welches er selbst ist, und habe durch die Worte: „Meine Lehre ist nicht die meinige, sondern dessen, der mich gesandt hat“, angedeutet, dass er nicht von sich selbst sei, sondern den Ursprung in einem andern habe. Denn er ist Gott von Gott, der Sohn des Vaters; der Vater aber ist nicht Gott von Gott, sondern Gott, der Vater des Sohnes.

Wenn er aber jetzt sagt: „Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat“, wie sollen wir das anders verstehen, als dass er als Mensch den Menschen erschien, während er als Gott verborgen war? Und damit sie nicht meinten, er sei bloß das, was sie sahen, so hat er, weil er für dasselbe gehalten werden wollte wie der Vater, gesprochen: „Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich“, d. h. an das, was er sieht, „sondern an den, der mich gesandt hat“, d. h. den Vater. Allein wer an den Vater glaubt, muss glauben, dass er Vater sei; wer ihn aber als Vater bekennt, muss glauben, dass er einen Sohn hat, und somit muss, wer an den Vater glaubt, an den Sohn glauben.

Aber damit niemand vom eingeborenen Sohn das glaube, was von denjenigen gilt, welche Söhne Gottes heißen aus Gnade, nicht von Natur, wie der Evangelist sagt: „Er gab ihnen die Macht Kinder Gottes zu werden“, wozu auch der vom Herrn selbst erwähnte Ausspruch im Gesetze gehört: „Ich habe gesagt: Ihr seid Götter und Söhne des Allerhöchsten alle“, deshalb hat er gesagt: „Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich“, damit nicht der ganze Inhalt des Glaubens an Christus auf seine Menschheit sich beschränke.

Der also, sagt er, glaubt an mich, der nicht an mich glaubt, sofern ich sichtbar bin, sondern an den, der mich gesandt hat, so dass er an den Vater glaubt, auch glaubt, er habe einen ihm gleichen Sohn, und dann wahrhaft an mich glaubt. Denn wenn er etwa meint, er habe nur Söhne aus Gnade, die natürlich sein Geschöpf sind, nicht das Wort, sondern ein Werk des Wortes, und er habe keinen ihm gleichen und gleichewigen, immer geborenen, ebenfalls unveränderlichen, in keinem Stücke unähnlichen und ungleichen Sohn, so glaubt er nicht an den Vater, der ihn gesandt hat, weil dies nicht der Vater ist, der ihn gesandt hat.