07.11.2017

Hl. Mutter Teresa von Kalkutta (1910-1997), Gründerin der Missionarinnen der Nächstenliebe zum Evangelium vom 07.11.2017

„Geh schnell auf die Straßen und Gassen der Stadt und hol die Armen“

Der Arme hungert nicht nur nach einem Stück Brot, sondern er hat einen schrecklichen Hunger nach menschlicher Würde. Wir verlangen danach, geliebt zu werden und von anderen wahrgenommen zu werden. Genau dort liegt unser Fehler, wenn wir nämlich Leute ins Abseits wegschieben. Nicht nur, dass wir den Armen ein Stück Brot verweigert haben, sondern indem wir sie nicht wahr-nehmen, indem wir sie dem Überlebenskampf auf der Straße überlassen, verweigern wir ihnen ihre Würde, die sie doch zu vollem Recht besitzen, da sie Kinder Gottes sind. Die Welt von heute ist nicht nur hungrig nach Brot, sondern nach Liebe; wir hungern danach, erwünscht zu sein, geliebt zu werden. Die Menschen hungern danach, die Gegenwart Christi zu spüren. In vielen Ländern verfügt man über alles im Überfluss, außer dieser Gegenwart, diesem Wohlwollen.

In jedem Land gibt es Arme. Es gibt Kontinente, in denen die Armut mehr geistig als materiell ist. Also eine Armut, die aus Einsamkeit hervorgeht, aus Entmutigung, aus Sinnlosigkeit. Aber auch in Europa und Nordamerika habe ich Menschen im größten Elend gesehen, wie sie auf Kartons, bedeckt mit Lumpen, auf den Straßen schliefen. Paris, London und Rom kennen diese Form der Armut. Es ist doch so viel einfacher, über die Armen, die weit weg leben, zu reden und sich Sorgen zu machen. Es ist viel schwieriger und vielleicht eine größere Herausforderung, auf den Armen, der zwei Schritte entfernt von uns wohnt, zu achten und für ihn zu sorgen.

Der Reis, das Brot, das ich dem Hungernden gebe, den ich auf den Straßen eingesammelt habe, wird seinen Hunger stillen. Aber derjenige, der in sozialer Ausgrenzung lebt, in einem Mangel an Liebe und in einer großen Angst, wie viel schwieriger wird es sein, seinen Hunger zu stillen? Ihr, die ihr im Westen lebt, euch ist die geistige Armut viel bekannter als die materielle Armut, und deshalb zählen eure Armen zu den Ärmsten der Armen. Bei den Reichen gibt es oft Menschen, die geistig sehr arm sind. Ich finde es einfacher, einen Hungernden zu sättigen oder einem Obdachlosen ein Bett zu besorgen, als zu trösten, die Bitterkeit, den Zorn und die Isolation aufzulösen, die aus der geistigen Not hervorgehen, denn dafür bedarf es viel mehr Zeit.