01.07.2017

Hl. Johannes Chrystostomus (344 — 407), Kirchenlehrer zum Gebet

Das Gebet ist eine mächtige Waffe, ein unvergänglicher Schatz, ein nicht versiegender Reichtum, ein vor Stürmen sicherer Hafen, ein erholsamer Ort der Ruhe. Das Gebet ist Wurzel, Quelle und Mutter zahlloser Güter... Das Gebet, von dem ich spreche, ist aber weder dürftig noch unachtsam gesprochen, sondern leidenschaftlich; es entspringt seelischer Bedrängnis und geistiger Anstrengung. So beschaffen ist das Gebet, das zum Himmel emporsteigt... Höre, was der Psalmist sagt: „Ich rief zum Herrn in meiner Not und er hat mich erhört“ (Ps 120,1). Wer in seiner Pein so betet, wird am Ende des Gebetes eine tiefe innere Freude empfinden...

Unter Gebet verstehe ich nicht nur das gesprochene Gebet, sondern das Gebet, das aus der Tiefe des Herzens kommt. Wie tief verwurzelte Bäume, selbst wenn Stürme sie tausendfach angreifen, sich nicht knicken oder entwurzeln lassen, so steigen auch Gebete, die aus tiefstem Herzen kommen und tief verwurzelt sind, sicher zum Himmel auf und werden nicht durch irgendeinen Mangel an Zuversicht oder Verdienst abgelenkt. Deshalb sagt der Psalmist: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“ (Ps 130,1)...

Wenn es dich schon erleichtert, wenn du dein eigenes Missgeschick und die dir auferlegten Prüfungen Menschen mitteilen kannst – ganz so, als käme durch Worte eine erfrischende Brise auf – umso mehr wird es dich trösten und stärken, wenn du den Herrn an den Qualen deiner Seele teilhaben lässt. Freilich fällt es uns oft schwer, Menschen zu ertragen, die sich bei uns über andere beklagen und ausweinen. Wir gehen ihnen aus dem Weg und weisen sie zurück. Gott aber macht es nicht so. Im Gegenteil, er lässt dich näher kommen und zieht dich an sich. Auch wenn du den ganzen Tag damit zubringst, ihm dein Elend darzulegen, hat er dich deswegen noch lieber und erhört noch bereitwilliger deine Bitten.