Das Skapulier vom Berge Karmel
Auch
der Papst trägt es: Das Skapulier Unserer lieben Frau vom Berge Karmel. Dieses
Schutzkleid der Gottesmutter ist eines der wichtigsten marianischen Sakramentale
des frommen katholischen Volkes.
Im
reichen Schatz der Sakramentalien der heiligen Kirche gibt es mehrere Skapuliere
verschiedener Orden. Das bedeutendste aber und am weitesten verbreitete ist das
braune Skapulier vom Berge Karmel.
Zwei gewaltig große Versprechen sind mit dem Tragen des Skapuliers verbunden:
1. Maria bewahrt uns vor der Verdammnis,
2. Maria wird uns am ersten Samstag nach dem Tode aus dem Fegefeuer befreien.
Zunächst aber zur Frage, wie es zur Entstehung des Skapuliers kam.
Die Geschichte des Skapuliers
ist eng mit der Geschichte des Karmelitenordens verwoben. Das Karmelgebirge
liegt im Heiligen Land. Es erstreckt sich über 30 km entlang der Mittelmeerküste.
Der harte Kalkstein des Gebirges bildet zahlreiche Höhlen und Klüfte, von
alters her eine beliebte Zufluchtstätte für ein beschauliches Leben in Zurückgezogenheit
und Einsamkeit. Schon der Prophet Elias und sein Schüler Elisäus zogen sich
dorthin zurück. Auch in frühchristlicher Zeit lebten dort zahlreiche
Einsiedler. Um 1209 schlossen sich diese zu einem engeren Eremitenverband
zusammen, entschlossen sich zur Einhaltung einer festen Regel und gründeten so
das erste statutenmäßige Karmelkloster. Nun setzte aus ganz Europa ein Zuzug
von Mönchen ein, so daß in Palästina in kurzer Zeit 15 weitere Klöster
entstanden.
Der
aufblühende Orden aber hatte unter dem Christenhaß der Sarazenen viel zu
leiden. Daher gestattete der Prior des Karmelordens, daß die Mönche aus den
fremden Ländern Europas in ihre Heimatländer zurückkehren durften, um dort
neue Karmelklöster zu gründen. Auf diese Weise breitete sich der Orden in Süditalien,
Südfrankreich, Aquitanien und Spanien aus. Die Anfeindungen der
mohammedanischen Sarazenen im Heiligen Land steigerten sich immer mehr. Schließlich
zerstörten sie das Kloster auf dem Berge Karmel und metzelten die gesamte Mönchsschar
nieder.
Diese Ereignisse bilden den historischen Hintergrund, vor dem es zur Entstehung
des Skapuliers kam. Im Jahre 1212 gelangten auch einige englische Karmelmönche
zurück in ihre Heimat um dort Klöster zu gründen. In England aber lebte zu
dieser Zeit ein heiliger Einsiedler namens Simon. Er hatte sein Vaterhaus schon
seit seinem zwölften Lebensjahr verlassen, um Wohnung zu nehmen im hohlen Stamm
einer Eiche. Wahrscheinlich erhielt der Heilige daher auch seinen Beinamen
Stock. Der heilige Simon war bereits 48 Jahre alt, als er auf die aus dem
Heiligen Land vertriebenen Mönch stieß. Da er von ihrer großen Liebe zur
Himmelskönigin tief ergriffen wurde, schloß er sich ihnen an. Als Fünfzigjähriger
wurde er zum Studium nach Oxford geschickt und kehrte, geschmückt mit der
Doktorwürde, nach einigen Jahren wieder ins Kloster zurück.
Als achtzigjähriger Greis wurde er zum General des Ordens gewählt. Damit aber
ward ihm eine äußerst schwere Bürde aufgeladen, denn sein Orden war in Europa
nicht gerne gesehen.
Im frühen 13. Jahrhundert hatten sich bereits zwei andere Bettelorden
gebildet: der Dominikanerorden (1216) und der Franziskanerorden (1223). Mit argwöhnischem
Blick sahen daher gewisse Parteien in Rom auf den neuimportierten Orden aus dem
Heiligen Land. Man befürchtete einen Wildwuchs an Bettelorden und die
Entstehung eines bettelnden Mönchsheeres. Es wurden daher große Anstrengungen
gemacht, den Orden zu unterdrücken und aufzuheben. In seiner großen Not flehte
der heilige Simon unter Tränen die Gottesmutter an, sie möge die
Ordensfamilie, die sie an Kindesstatt angenommen hatte, nicht verlassen und ihr
ein besonderes Zeichen ihres mütterlichen Schutzes geben.
Daraufhin
erschien ihm am 16. Juli 1251 die heilige Jungfrau, lichtumflossen, und reichte
ihm das Skapulier und sprach zu ihm:
„Mein Sohn, empfange dieses Skapulier deines Ordens; es ist das Zeichen der
besonderen Vergünstigungen, die ich für dich und die Kinder des Karmel erlangt
habe. Wer in diesem Gnadenkleide sterben wird, wird vor dem ewigen Feuer bewahrt
bleiben. Es ist ein Zeichen des Heiles, ein Schutzkleid in Gefahren, das
Unterpfand eines besonderen Friedens und besonderen Schutzes.“
Voll Freude nahm der greise Heilige dieses wertvolle Gnadengeschenk der
Gottesmutter an und sorgte schnell für seine Verbreitung. Hatte der Papst bis
dahin noch den Gegnern des Ordens sein Ohr geneigt, so erwies er sich von diesem
Zeitpunkt an als Beschützer der neuen Gemeinschaft und bestätigte sie aufs
neue. Unter dem Schutz der Gottesmutter begann der Karmeliterorden in Europa nun
rasch aufzublühen. Als der heilige Simon Stock 1265 mit 100 Jahren verstarb, zählte
die junge Ordensfamilie bereits 40 Klöster und Einsiedeleien.
Das Skapulier sollte jedoch nicht nur den Mönchen und Schwestern des
Karmelordens vorbehalten sein. Dieses Gnadengeschenk verlieh Maria allen Gläubigen
— auch uns. Schon zu Lebzeiten des heiligen Simon Stock gründete sich eine
Skapulierbruderschaft. Bald sah man auch große und hervorragende Persönlichkeiten
mit dem Skapulier bekleidet, wie etwa den heiligen König Ludwig von Frankreich
und dessen gesamte königliche Familie. Nicht weniger als 32 Päpste
bereicherten diese Bruderschaft mit Ablässen. Auch in unserem Jahrhundert
gewann das Skapulier eine neue Bedeutung: am 13. Oktober 1917, bei ihrer letzten
Erscheinung in Fatima, erschien die heilige Jungfrau als Muttergottes vom Berge
Karmel.
Wie aber können wir der Gnadenvorzüge, die mit dem Tragen des Skapuliers
verbunden sind, teilhaftig werden? Das Skapulier muß von einem Priester
aufgelegt werden. Dies kann heute durch jeden katholischen Geistlichen erfolgen.
Durch das Auflegen des Skapuliers wird man gleichzeitig in die
Skapulierbruderschaft mitaufgenommen. Die heilige Jungfrau hatte zum heiligen
Simon Stock gesagt: „Wer mit diesem Kleide sterben wird, wird vor den
Flammen des ewigen Feuers bewahrt bleiben. Es ist ein Zeichen des Heiles, ein
Schutzmittel in Gefahren, das Unterpfand eines besonderen Friedens und
besonderen Schutzes.“ Man könnte einwenden, daß es der katholischen
Religion fremd ist, sich durch materielle Dinge den Himmel zu sichern. Überspitzt
könnte man sagen, daß man dann einfach drauflosleben könnte, ohne die Gebote
zu halten, und, würde man nur dieses kleine Stückchen Stoff an sich tragen, könnte
man dennoch seine Haut für den Himmel retten. So einfach aber darf man die
Verheißung Mariens nicht verstehen. Falls wir das Unglück haben sollten, in
schwere Sünde zu fallen, so wird Maria aus den göttlichen Schätzen mit einer
so wirksamen Gnade unser Herz rühren, daß wir uns auf heilsame Weise umwandeln
und bekehren. Wenn wir uns nur nicht durch hartnäckigen Widerstand dieser Gnade
widersetzen, so wird die allerseligste Gottesmutter auf diese Weise unsere Seele
retten, so daß wir in die ewige Glückseligkeit eingehen dürfen.
Der zweite Gnadenvorzug des Skapuliers besteht wie anfangs bereits erwähnt,
darin, daß uns Maria am ersten Samstag nach dem Tode aus dem Fegefeuer befreien
wird. Auch gegen dieses sogenannte Samstagsprivileg wurden ähnliche Einwände
erhoben. Nicht weniger aber als fünf Päpste haben ausdrücklich bekräftigt,
daß dieses Gnadenprivileg gepredigt werden darf. Wir können es nicht
hoch genug einschätzen, was es bedeutet, die Zeit der Läuterung im Fegefeuer
auf so kurze Zeit beschränkt zu bekommen. „Nichts Unreines darf in den Himmel
eingehen“ (Apk 21, 27). Bis aber bei einem Verstorbenen die gesamte Schuld
abgetragen und jede zeitliche Sündenstrafe abgebüßt ist, bedarf es oft einer
sehr langen und peinvollen Läuterung.
Welche
Gegenleistung aber verlangt Maria von uns, damit wir des Samstagsprivilegs
teilhaftig werden?
Wir müssen uns
1. Der standesgemäßen Keuschheit befleißigen (d. h. Priester und
Ordensleute, wie es dem geistlichen Stand entspricht, Eheleute, wie es sich für
den Stand der christlichen Ehe geziemt und Ledige, gemäß dem Stand der
Unverheirateten);
2. Die sogenannten marianischen Tagzeiten beten, oder sich am Mittwoch, Freitag
und Samstag von Fleischspeisen enthalten, oder — und dies kann jeder von uns
leicht erfüllen: täglich den Rosenkranz beten.
Wenn uns Maria in ihrer übergroßen Liebe ein so großzügiges
Gnadengeschenk macht, was folgt dann für uns daraus?
Wenn wir das Skapulier bereits aufgelegt bekommen haben, so sollten wir
darüber tiefe Freude empfinden und diese Gnade wieder neu schätzen! Tragen wir
dieses Ehrengewand der auserwählten Kinder der Muttergottes auch weiterhin und
beten wir den Rosenkranz mit großer Dankbarkeit für die Bevorzugung und Begünstigungen,
mit denen uns die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria stets zuvoreilt!
Als
Schwester Lucia befragt wurde, warum denn Maria bei ihrer letzten Erscheinung in
Fatima als Muttergottes vom Berge Karmel erschienen war, sagte sie:
„Maria wollte dadurch ihren Wunsch bekundert, daß alle Menschen das
Skapulier als Zeichen ihrer Weihe an Ihr Unbeflecktes Herz tragen.“
Das Skapulier besteht aus zwei Stückchen braunen Wollstoffes, die durch
zwei Tragebändchen miteinander verbunden sind. Der Name dieses Sakramentale
leitet sich ab vom lateinischen Wort scapulae, Schultern. Das Skapulier wird über
beide Schultern hängend getragen und deutet das braune Schulterkleid des
Ordensgewandes der Karmeliter an. Eines der Wollstückchen trägt ein Bildnis
der Muttergottes mit ihrem göttlichen Kinde auf dem Arm. Beide, Gottesmutter
und Jesuskind reichen, wie bei der Erscheinung gegenüber dem hl. Simon Stock,
ein Skapulier dar. Auf dem anderen Wollstückchen befindet sich das Bild des
Gekreuzigten oder des Heiligsten Herzens Jesu.
Da das
Tragen des Skapuliers unter Umständen mit Unbequemlichkeiten verbunden sein
kann, gewährt die heilige Kirche, daß ersatzweise eine spezielle
Skapuliermedaille verwendet werden darf, die die entsprechenden Bildnisse trägt.
Diese Medaille ist dem Skapulier durchaus gleichwertig, dem bloßen Gebrauch der
Medaille bleiben daher dieselben Gnadenprivilegien zugesichert wie dem Skapulier.
Lediglich einige der Ablässe, die mit dem Tragen des Skapuliers verbunden sind,
können nicht mehr gewonnen werden.