5. Grund: Ich kann mich nicht anders als auf diesem Wege heiligen.

Dieses Unglück wäre um so größer, als meine Heiligung ganz von der Ehre abhängt, die ich Gott verschaffe. Ich werde ein Heiliger, wenn ich Ihm die Ehre verschaffe, die Er von mir erwartete. Ich werde nicht zur Heiligkeit gelangen, vielleicht setze ich mein Heil aufs Spiel, wenn ich mich nicht in den Stand versetze, Gott so zu ehren, wie Er es verlangt, indem ich mich Ihm ganz hingebe.

Unser Herr zeigte eines Tages der hl. Theresia ihren Platz in der Hölle, wenn sie den Absichten nicht entsprochen hätte, die Er betreff ihrer Heiligung hatte. Vielleicht gibt es für mich keinen Mittelweg, daß ich ein großer Heiliger oder ein Verworfener werde. Aber wenn es auch einen solchen gäbe, und wenn ich keine Gefahr liefe für mein Heil, wäre ich nicht mein eigener Feind, wenn ich nicht nach jeglicher Vollkommenheit streben würde, zu der ich berufen bin und zu der ich nicht anders gelangen kann als durch eine gänzliche Hingabe an Gott?

Wenn ich Glauben habe, so darf ich nichts über, ja nichts neben die Heiligkeit stellen, die da für mich ist der Grund alles gegenwärtigen und zukünftigen Glückes.

Und nun, durch die Hingabe meiner selbst an Gott, betrete ich den Weg der Heiligkeit und kann ihn nur hierdurch betreten. Denn welche Stimmung wäre der Heiligkeit näher als diejenige, durch die man sich ganz in die Hände Gottes gibt, damit Er selbst uns heilige? Gott ist nicht weniger der einzige Heiligmacher als auch der einzige Heilige: alle Heiligkeit, die in den Geschöpfen wohnt, ist das Werk Gottes. Er ist es, der dieses Werk beginnt, der es fortsetzt und vollendet. Alles, was Er von mir verlangt, ist, daß ich mich Seiner Führung hingebe, daß ich Seinem Werke kein Hindernis setze und daß ich Ihm helfe durch meine Mitwirkung. Er wird also daran mit umsomehr Erfolg arbeiten, als ich Ihn zum unumschränkten Herrn meines Willens gemacht haben werde: denn bei dieser Arbeit handelt es sich hauptsächlich um meinen Willen. Was tue ich, indem ich mich Gott hingebe? Vorab gebe ich die allgemeine Einwilligung zu allem, was Er für meine Rechtfertigung zu tun für zweckmäßig findet. Und so lange diese Einwilligung vorhanden ist, ist es klar, daß sie sich auf alle einzelnen Wirkungen der Gnade in mir erstreckt. So lange diese Einwilligung nicht widerrufen wird, handelt Gott frei und ohne Unterbruch in mir, sei es, um mich von meinen Fehlern zu bessern, sei es, um mich die Tugenden üben zu lassen, sei es, um die Absichten zu läutern: die Gnade gewinnt täglich mehr die Herrschaft über die Natur: der alte Mensch wird zerstört: der neue Mensch erhebt sich. Das Werk schreitet vorwärts und gelangt endlich zu jener Vollkommenheit, die Gott ihm geben will. Wer könnte Ihn aufhalten in Seiner Arbeit, so lange ich Ihm nicht widerstehe? Und welches bessere Mittel von meiner Seite, Ihm keinen Widerstand entgegenzubringen, als mich Ihm ganz zu übergeben? Ich kann mich immer wieder zurücknehmen, es ist wahr. Aber Gott, da Er meine Geradheit und meine Großmut sieht, hält mich geschützt vor mir selber, drängt mich, mich immer mehr und mehr auf Ihn zu stützen, mich Ihm ganz anzuvertrauen. Er handhabt so gut den Willen, daß dieser nichts so sehr fürchtet, als wieder Herr über sich selber zu werden und sich von der Führung Gottes zurückzuziehen.