56. Kapitel

Von der geistigen Kommunion

Obschon wir den Herrn nur einmal am Tage im heiligsten Sakrament aufnehmen können, so ist es uns (wie gesagt) dennoch zu jeder Stunde und in jedem Augenblick möglich, ihn geistigerweise zu empfangen, wovon uns kein Geschöpf, sondern nur unsere Nachlässigkeit oder ein anderes Verschulden abzuhalten imstande ist.

Bisweilen wird sogar die geistige Kommunion nutzbringender und Gott genehmer sein, als manche sakramentale Kommunion, bei der es den Empfängern an Andacht und Wärme fehlt.

Sooft du die geistige Kommunion empfangen willst, wirst du den Sohn Gottes bereit finden, sich dir geistigerweise mit eigener Hand zur Speise zu geben.

Um dich darauf vorzubereiten, kehre dein Herz in dieser Absicht zum Herrn; bereue nach einem kurzen Rückblick deine Sünden, mit welchen du Gott beleidigt hast, und bitte ihn mit tiefer Demut und großem Vertrauen, daß er sich würdige, in deine arme Seele einzukehren und sie mit neuer Gnade zu heilen und wider die Feinde zu stärken.

Willst du einen deiner sinnlichen Triebe überwinden oder abtöten oder einen Tugendakt setzen, dann führe dieses alles in der Absicht aus, um dein Herz auf den Herrn vorzubereiten, wie er es von dir beständig verlangt.

Dann wende dich an ihn und bitte ihn mit herzlichem Verlangen, daß er dich heimsuche, um dich mit seiner Gnade zu heilen und von deinen Feinden zu befreien, damit er allein dein Herz in Besitz nehmen kann.

Oder erinnere dich deiner letzten heiligen Kommunion und sprich mit verlangendem Herzen: „Wann, o mein Gott, werde ich dich wieder empfangen? Wann? Ja, wann?"

Willst du dich aber auf eine noch bessere Weise auf die heilige Kommunion vorbereiten, dann stelle schon am Vorabend alle deine Abtötungen, Tugendakte und guten Werke auf den geistigen Empfang deines Herrn ein. In früher Morgenstunde denke an das große Glück und die Beseligung einer Seele, die das hochheilige Sakrament des Altares würdig empfängt; wie die Seele die verlorene Tugend und ihre frühere Schönheit wieder erlangt und der Früchte und Verdienste des Leidens des Gottessohnes selbst teilhaftig wird. Erwäge weiter, wie sehr es Gott gefällt, wenn wir ihn bei uns aufnehmen und die erwähnten Gnaden erhalten, und laß es dir angelegen sein, dein Herz mit einer großen Sehnsucht nach seinem Empfang zu entflammen, um ihm Freude zu bereiten.

Hast du dieses Verlangen in deinem Herzen geweckt, dann wende dich mit folgenden Worten an den Herrn: „Da es mir nicht vergönnt ist, dich heute im heiligen Sakrament zu empfangen, laß mich, o unerschaffene Güte und Allmacht, dich jetzt und zu jeder Stunde und an jedem Tage geistigerweise würdig empfangen, nachdem du mir alle meine Sünden verziehen und mich geheiligt hast. Schenke mir neue Gnade und Kraft wider alle meine Feinde, vor allem aber wider jenen, den ich um deines Wohlgefallens willen gerade bekämpfe."