54. Kapitel

Vom Empfang der heiligen Eucharistie

Aus verschiedenen Gründen können wir uns dem allerheiligsten Sakrament des Altares nahen. Um unser Ziel aber erreichen zu können, müssen wir Verschiedenes dabei beobachten, was sich auf drei Zeitabschnitte verteilt, nämlich: Vor der heiligen Kommunion, beim Empfang derselben und nach der heiligen Kommunion.

Vor der heiligen Kommunion müssen wir (aus welchen Gründen wir sie auch immer empfangen wollen) uns unbedingt im Sakrament der Buße von aller Todsünde, wenn eine solche vorliegt, waschen und reinigen und uns mit allen Fasern des Herzens, sozusagen rückhaltlos mit ganzer Seele und all unseren Kräften und Fähigkeiten Jesus Christus, so wie es ihm gefällt, hingeben, da er uns in diesem allerheiligsten Sakrament sein Fleisch und Blut mit seiner Seele und Gottheit und allen seinen Verdiensten zum Geschenke macht.

Beim Gedanken, daß unsere Gabe im Vergleich mit seinem Geschenk doch so unbedeutend und gleichsam nichts ist, muß sich in uns der Wunsch regen, alles zu besitzen, was Himmel und Erde ihm je dargeboten und geopfert haben, um es seiner göttlichen Majestät darzubringen.

Willst du die heilige Kommunion empfangen, um deine und seine Feinde in dir zu überwinden und zu vernichten, so erinnere dich am Vorabend oder bereits schon früher, welche Sehnsucht der Sohn Gottes hegt, daß du ihm in deinem Herzen ein Plätzchen bietest, damit er sich mit dir im allerheiligsten Sakrament vereine und dir zur Überwindung aller deiner sündhaften Leidenschaften beistehen könne. Diese Sehnsucht unseres Herrn ist so groß und so unermeßlich, daß ein geschaffener Geist sie nicht zu erfassen imstande ist.

Um dich aber dazu einigermaßen zu befähigen, präge deinem Herzen zwei Erwägungen recht tief ein:

Erstens: Das unaussprechliche Wohlgefallen des allgütigen Gottes, bei uns zu sein, worin ja seine „Wonne" besteht (Spr 8, 31).

Zweitens: Den unendlichen Haß gegen die Sünde, die seiner Vereinigung mit uns, nach der er so sehnsüchtig verlangt, hindernd in den Weg tritt und allen seinen göttlichen Vollkommenheiten völlig zuwiderläuft.

Als das höchste Gut und makelloseste Licht und die unendliche Schönheit muß er ja die Sünde aufs äußerste hassen und verabscheuen, die eben nichts anderes ist als Schlechtigkeit, Finsternis und Häßlichkeit, für unsere Seele ganz unerträglich. Dieser Haß des Herrn wider die Sünde ist so brennend heiß, daß alle Opfer des Alten und Neuen Testamentes auf ihre Vernichtung hinzielten, vor allem das vollkommenste Opfer, das Leiden seines Sohnes, der nach der Lehre erleuchteter Diener Gottes im Notfall tausendmal sterben würde, um jede noch so unbedeutende Sünde in uns zu tilgen.

Hast du aus solchen Erwägungen, wenn auch nur unvollkommen, die Größe seiner Sehnsucht erkannt, mit welcher der Herr verlangt, in dein Herz einzukehren, um alle deine Feinde zu vertreiben und vollständig niederzuringen, dann erwecke ein lebhaftes Verlangen, ihn in dieser Absicht aufzunehmen.

Ermutigt und begeistert durch die Hoffnung auf den baldigen Einzug deines himmlischen Heerführers in dein Herz, fordere die Leidenschaft, die du zu bekriegen dir vorgenommen hattest, wiederholt zum Kampfe heraus und unterdrücke sie jedesmal ganz energisch, indem du dabei die entgegengesetzten Tugendakte setzest. Diese Übung führe dann am Vorabend und am Morgen des Kommuniontages beharrlich aus.

Beim Empfang der heiligen Kommunion:

Stehst du im Begriffe, das allerheiligste Sakrament zu empfangen, wirf kurz vorher einen flüchtigen Blick auf deine Fehler seit der letzten Kommunion, die du gerade so begangen hast, als ob es keinen Gott gäbe, der für dich in den Geheimnissen des Kreuzes so unendlich viel erduldet hat. Ein elendes Vergnügen und deinen eigenen Willen hattest du dem Willen Gottes und seiner Ehre vorgezogen! Laß dich erschüttern von Scham und einer heilsamen Furcht ob deines Undankes und deiner Unwürdigkeit.

Jetzt aber denke mehr daran, daß die unermeßliche Güte deines Herrn dich zur Umkehr ruft, der du so abgrundtief undankbar und untreu bist. Nahe dich ihm vertrauensvoll und biete ihm einen weiten Platz in deinem Herzen an, damit er als unumschränkter König darin herrschen kann.

Du räumst ihm aber nur dann einen weiten Platz ein, wenn du alle Anhänglichkeiten an irgendeine Kreatur aus deinem Herzen verbannst und es daraufhin allem anderen verschließt, daß nur deinem Herrn allein der Zutritt offensteht.

Nach der heiligen Kommunion zieh dich schnell in die Stille deines Herzens zurück; bete in aller Ehrfurcht und Demut deinen Gott an und vereinige dich im Geiste mit ihm:

„O mein einziges Gut, du siehst, wie rasch ich dich beleidige; wie viel diese Leidenschaft wider mich vermag und daß ich aus mir nicht imstande bin, mich von ihr frei zu machen. Du mußt für mich kämpfen, und von dir allein erhoffe ich den Sieg, obschon auch ich noch weiter kämpfen muß."

Darauf wende dich zum ewigen Vater: Opfere ihm seinen gebenedeiten Sohn, den er dir schenkte und den du nun im Herzen trägst, zum Dank für die empfangene Gnade und den Sieg über dich selbst auf, und versprich ihm, hochherzig gegen die bestimmte Leidenschaft kämpfen zu wollen in der sicheren Erwartung des Sieges, den dir Gott nicht versagen wird, wenn du das Deine tust, sollte er dich auch nicht gleich erhören.