45. Kapitel

Vom innerlichen Gebet

Das innerliche Gebet ist eine Erhebung des Gemütes zu Gott, verbunden mit einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Bitte um Erhörung.

Ausdrücklich ist die Bitte, wenn man die Gnade innerlich mit diesen oder ähnlichen Worten erfleht: „O mein Gott, gib mir diese Gnade zu deiner Ehre!" oder „O mein Herr, ich glaube, daß es dir wohlgefällt und zu deiner Ehre gereicht, wenn ich diese Gnade erbitte und besitze. Vollende an mir dein göttliches Wohlwollen."

Und wirst du von Feinden umdrängt, dann bete also: „Eile, mein Gott, mir zu helfen, damit ich den Feinden nicht nachgebe!" oder „Mein Gott, Zuflucht und Stärke meiner Seele, komme mir eilends zu Hilfe, damit ich nicht falle!"

Hält der Kampf an, fahre in dieser Gebetsart fort und widersteh immer deinem Gegner.

Ist das Toben vorüber, dann kehre dich zum Herrn; führe ihm deinen Gegner und deine Schwäche beim Widerstand vor und sprich: „Sieh, o mein Gott, das Geschöpf deiner mildreichen Hand, das mit deinem Blut erkauft wurde. Siehe da deinen Feind, der es dir zu entreißen und zu vernichten sucht. Zu dir, o mein Herr, nehme ich meine Zuflucht; auf dich vertraue ich allein, der du allmächtig und gut bist; du kennst meine Schwäche und weißt, wie rasch ich mich ihm ohne deinen Beistand freiwillig unterwerfen würde. Hilf mir also, du meine Hoffnung und Seelenstärke!"

Das stillschweigende Gebet liegt vor, wenn das Gemüt sich um eine Gnade zu Gott aufrichtet und ohne ein Wort und eine Erklärung ihm seine Not aufdeckt: So zum Beispiel, wenn ich mein Gemüt zu Gott erhebe und mich in seiner Gegenwart als ohnmächtig erkenne, mich vor dem Bösen zu schützen und das Gute zu tun; wenn ich vom Verlangen, ihm zu dienen, entbrenne und mit Demut und Vertrauen seine Hilfe erwarte und immer wieder zum Herrn aufblicke.

Dieser Akt einer von Sehnsucht und Glauben vertieften und von Gott erleuchteten Erkenntnis ist ein Gebet, das stillschweigend erfleht, was mir nottut. Und je klarer und aufrichtiger die erwähnte Erkenntnis und je glühender die Sehnsucht und lebendiger der Glaube sind, umso wirksamer ist auch das Gebet.

Daneben gibt es noch eine andere, kürzere Art des stillschweigenden Gebetes, daß man nämlich geistigerweise ganz einfach einen Blick um Hilfe auf Gott richtet. Dieser Aufblick ist nichts anderes als eine unausgesprochene Erinnerung und Bitte um die bereits erbetene Gnade.

Bemühe dich, diese Gebetsweise gut zu erlernen und dich mit ihr vertraut zu machen, denn sie ist - wie dich die Erfahrung lehren wird - eine Waffe, die man bei jedem Anlaß und überall schnell ergreifen kann und von größerem Wert und Nutzen ist, als ich es zu sagen vermag.