25. Kapitel

Ein Streiter Christi muß, um wider die Feinde gut zu kämpfen, die Verwirrung und Unruhe des Herzens möglichst fliehen

Nach besten Kräften müssen wir uns bemühen, den verlorenen Herzensfrieden wiederzugewinnen. Ebenso muß es dir einleuchten, daß kein Ereignis, das uns im Leben begegnet, uns denselben wirklich rauben oder auch nur stören darf.

Allerdings haben wir triftigen Grund, unsere Sünden zu beklagen, aber das dürfen wir nur mit einem ruhigen Schmerz, wie ich es bereits an mehreren Stellen ausgeführt habe. In gleicher Weise soll man ohne Herzensunruhe jeden Sünder mit wohlwollender Liebe bemitleiden und dessen Schuld wenigstens im Herzen beweinen.

Andere harte und kummervolle Schicksalsschläge wie Krankheit, Verletzungen, Todesfälle unserer Angehörigen, Pest, Krieg, Feuersbrünste und ähnliche Übel werden von den Weltleuten als naturwidrig meistens verabscheut; wir aber können sie mit Gottes Gnade nicht nur wünschen, sondern sogar als eine gerechte Strafe für die Bösen und als eine Gelegenheit zur Tugendübung für die Gerechten liebgewinnen. In dieser Hinsicht sind sie ja auch unserem Herrgott wohlgefällig. Und richten wir uns hierin nach seinem Willen, dann werden wir ruhigen und heiteren Gemütes durch alle Bitterkeiten und Widerwärtigkeiten dieses Lebens hindurchgehen.

Sei darum versichert, daß jede Art von Unruhe in uns dem lieben Gott mißfällt, weil sie immer von Unvollkommenheit begleitet ist und stets aus der häßlichen Wurzel unserer Selbstliebe hervorgeht.

Stelle deshalb immer eine Wache auf, die dir sogleich ein Zeichen gibt, wenn sie irgend etwas entdeckt, was dich verwirren oder beunruhigen könnte, damit du zur Verteidigung die Waffen ergreifst und dir sagst, daß alle erwähnten Leiden und viele ähnliche trotz ihres äußeren Scheines gar keine wahren Übel sind und uns auch nicht die eigentlichen Güter zu rauben imstande sind, und daß Gott selbst sie alle aus den besagten guten Gründen fügt oder aus anderen uns unbekannten, aber zweifellos höchst gerechten und heiligen Absichten zuläßt.

Wenn man so bei jedem Unglücksfall sein Herz in Ruhe und Frieden bewahrt, dann kann man daraus viel Nutzen ziehen; andernfalls fruchten unsere Übungen wenig oder gar nichts.

Zudem ist unser Herz wegen seiner Unruhe den mannigfachen Angriffen des bösen Feindes ständig ausgesetzt, und wir sind in einem solchen Zustande auch nicht in der Lage, den geraden Pfad und den sicheren Weg der Tugend zu erkennen.

Unser Feind kann diesen Frieden in der Seele nicht leiden, weil er in ihm die Wohnstätte des göttlichen Geistes erblickt, wo Gott Großes wirken will. Deswegen versucht er, ihn uns durch falsche Vorspiegelungen zu rauben, indem er uns scheinbar fromme Wünsche eingibt. Den Betrug vermagst du unter anderem daran zu erkennen, daß diese Wünsche dich um den Frieden des Herzens bringen.

Um einen so großen Schaden zu verhindern, öffne, wenn die Wache wieder einen Wunsch meldet, die Türe deines Herzens nicht eher, als bis du, frei von allem Eigenwillen, ihn zuerst Gott dargestellt und den Herrn mit dem Bekenntnis deiner Blindheit und Unwissenheit aufs inständigste gebeten hast, er möge in seinem Lichte dich erkennen lassen, ob derselbe von ihm oder dem Widersacher stamme. Wenn möglich, hole auch das Urteil deines Seelenführers ein.

Auch wenn der Wunsch von Gott herrührt, bemühe dich, deinen allzu großen Eifer vor seiner Ausführung zu zügeln. Denn ein Werk, dem eine solche Abtötung vorausgeht, ist Gott genehmer, als wenn es mit natürlichem Ungestüm vollbracht wird; ja, bisweilen ist ihm die Abtötung sogar wohlgefälliger als das Werk selbst.

Du wirst die Festung deines Herzens in Frieden und Sicherheit halten, wenn du deine unguten Wünsche vertreibst und die guten nicht eher ausführst, als bis du die natürlichen Antriebe zuvor zurückgedrängt hast.

Um dein Herz in tiefstem Frieden zu bewahren, mußt du es vor gewissen Selbstvorwürfen und Gewissensbissen schützen, die von Gott zu kommen scheinen, weil sie dich eines Fehlers beschuldigen, in Wirklichkeit aber vielfach vom Teufel eingegeben sind.

An ihren Früchten wirst du erkennen, woher sie eigentlich stammen.

Machen sie dich demütig und eifrig fürs Gute und zerstören sie nicht das Gottvertrauen, dann nimm sie als von Gott kommend in Dankbarkeit an. Machen sie dich unruhig, kleinmütig, mißtrauisch, träge und nachlässig im Guten, dann kannst du bestimmt annehmen, daß sie vom Widersacher herrühren. Schenke ihnen deshalb kein Gehör und fahre ruhig in deinen Übungen fort.

Öfters als aus den angegebenen Ursachen entspringt die Unruhe unseres Herzens den Widrigkeiten, die uns zustoßen. Um dich gegen solche Schläge zu sichern, mußt du zweierlei beachten. Zunächst gib acht und sieh zu, wem diese Ereignisse zuwider sind; der Seele oder bloß der Eigenliebe und dem Eigenwillen. Sind sie deinen Hauptfeinden, dem Eigenwillen und der Eigenliebe, zuwider, dann darfst du sie nicht als Widerwärtigkeiten ansprechen, sondern als Gnadenerweise und Hilfeleistungen vonseiten des allerhöchsten Gottes, die wir mit freudigem Herzen und mit Dankbarkeit annehmen müssen.

Sind sie der Seele zuwider, so darfst du ihretwegen den Frieden des Herzens nicht verlieren, wie ich es dir im folgenden Kapitel darlegen werde.

Zweitens mußt du dein Herz ganz auf Gott einstellen und blindlings, ohne Weiteres wissen zu wollen, alles aus der liebevollen Hand der göttlichen Vorsehung als reiches Gnadengeschenk annehmen, dessen Wert dir im Augenblick noch unbekannt ist.