30 06.2017

Johannes Paul. II.: Der Mensch wurde als Mann und Frau geschaffen

Auch heute möchte ich fortfahren in den Überlegungen zu Ehe, Familie und Naturrecht. Das Fundament der Familie ist die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau: eine Liebe, verstanden als gegenseitiges, tiefgehendes Sich-Schenken, das auch in der geschlechtlichen, ehelichen Vereinigung Ausdruck findet.

Der Kirche wird manchmal vorgeworfen, sie mache die Geschlechtlichkeit zum Tabu. Die Wahrheit ist ganz anders! Das christliche Denken hat im Laufe der Geschichte im Gegensatz zu den manichäischen Strömungen ein harmonische und positive Sicht des Menschen entwickelt und die bedeutende und wertvolle Rolle anerkannt, die das Mann- bzw. Frausein im Leben des Menschen spielt.

Im übrigen ist auch die Botschaft der Bibel unmissverständlich: »Gott schuf also den Menschen als sein Abbild ... Als Mann und Frau schuf er sie« (Gen 1, 27). In dieser Bekräftigung ist die Würde jedes Mannes und jeder Frau in ihrer naturgegebenen Gleichheit, aber auch in ihrer geschlechtlichen Verschiedenheit deutlich ausgedrückt. Sie ist eine Gegebenheit, die die Beschaffenheit des Menschen tief beeinflusst. »Aus dem Geschlecht nämlich ergeben sich die besonderen Merkmale, die die menschliche Person im biologischen, psychologischen und geistigen Bereich als Mann und Frau bestimmen« (Persona Humana 1).

Ich betonte es jüngst im Brief an die Familie: »Der Mensch wurde ‘am Anfang’ als Mann und Frau geschaffen: Das Leben der menschlichen Gemeinschaft — der kleinen Gemeinschaften wie der ganzen Gesellschaft — trägt das Zeichen dieser Ur-Dualität. Aus ihr gehen die ‘Männlichkeit’ und die ‘Weiblichkeit’ der einzelnen Individuen hervor, so wie aus ihr jede Gemeinschaft ihren je eigentümlichen Reichtum in der gegenseitigen Ergänzung der Personen schöpft« (Brief an die Familien, 6)

Die Sexualität gehört also zum ursprünglichen Plan des Schöpfers, und die Kirche kann nicht umhin, sie hochzuschätzen. Gleichzeitig kann sie auch nicht umhin, jeden aufzufordern, die Geschlechtlichkeit in ihrer tiefgehenden Natur zu achten.

Als eine in die Gesamtheit der Person eingeschriebene Dimension ist die Sexualität eine »Ausdrucksweise« der Liebe und kann deshalb nicht als reine Triebhaftigkeit gelebt werden. Sie muss vom Menschen als vernunftbegabtes und freies Lebewesen gelenkt werden.

Das heißt jedoch nicht, dass sie nach Belieben manipuliert werden kann. Tatsächlich besitzt sie eine typische psychologische und biologische Struktur, die die Gemeinsamkeit zwischen Mann und Frau und die Geburt neuer Menschen zum Ziel hat. Diese Struktur und diese unauflösliche Verbindung zu achten bedeutet nicht »Biologismus» oder »Moralismus«, sondern Aufmerksamkeit für die Wahrheit des Menschseins, des Personseins. Aufgrund dieser auch im Licht der Vernunft erfassbaren Wahrheit sind die sogenannte »freie Liebe«, die Homosexualität und die Empfängnisverhütung moralisch unannehmbar. Denn es handelt sich um Verhaltensweisen, die die tiefe Bedeutung der Sexualität umkehren, indem sie diese daran hindern, der Person, der Gemeinschaft und dem Leben zu dienen.