28.08.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zu Gedanken des Tagesheiligen Augustinus: Gottes Anwesenheit im Menschen

Trotz der Transzendenz und Unaussprechlichkeit des göttlichen Wesens erläutert Augustinus, ausgehend von seinem Selbstbewußtsein als Mensch, der weiß, dass er ist, erkennt und liebt und gestärkt durch die heilige Schrift, die uns Gott als oberstes Sein (vgl. Ex 3,14), als höchste Weisheit (vgl. Weish passim) und erste Liebe (vgl. 1 Joh 4,8) vorstellt, folgende dreifache Erkenntnis Gottes: (Gott ist) das Sein, aus dem alles durch Erschaffung aus dem Nichts hervorgeht, die Wahrheit, die den Geist der Menschen erleuchtet, damit er mit Sicherheit die Wahrheit zu erkennen vermag, die Liebe, von der jede echte Liebe herkommt und zu der sie zurückkehrt. Denn Gott ist, wie er oft wiederholt, „die Ursache des Daseins, der Grund des Denkens und die Norm des Lebens“[88] oder, um eine andere berühmte Formulierung zu gebrauchen, „die Ursache des geschaffenen Universums, das Licht der Wahrheit, das wir begreifen sollen, und die Quelle der Glückseligkeit, die wir genießen dürfen“.

Am meisten aber wurde der geniale Geist des Augustinus erregt und aufgewühlt, wenn er über Gottes Anwesenheit im Menschen nachdachte, die zugleich zuinnerst und ganz geheimnisvoll ist. Er erfährt nun Gott als den „Inwendig-Ewigen“, als den Verborgensten und Gegenwärtigsten: weil er abwesend ist, sucht ihn der Mensch; weil er aber da ist, erkennt und findet er ihn. Denn Gott ist gegenwärtig als „schöpferische Substanz der Welt“, als erleuchtende Wahrheit, als Liebe, die an sich zieht; innerer als alles, was im Menschen an Innerstem, und auch höher als alles, was in ihm an Höchstem vorhanden ist. Sich an die Zeit vor seiner Bekehrung erinnernd, spricht er zu Gott: „Wo nur warst Du mir damals und wie weit von mir? Und weit von Dir in der Fremde ging ich ... Du aber warst noch innerer als mein Innerstes und höher noch als mein Höchstes“. „Du warst bei mir, ich war nicht bei Dir“. Ja, er drängt: „Du standest doch vor mir; ich aber war auch von mir hinweggegangen und fand nicht einmal mich, geschweige Dich“. Wer sich selbst nicht findet, findet Gott nicht, weil Gott im Innersten jedes einzelnen von uns ist.

Der Mensch kann sich also nur auf Gott hingeordnet begreifen. Diese wirklich herausragende Wahrheit hat Augustinus mit dem unerschöpflichen Reichtum seines Geistes erläutert, während er die Beziehung des Menschen zu Gott untersuchte und sie in möglichst verschiedenen und wirksamen Formen darlegte. Er sieht den Menschen als ein Streben nach Gott. Seine Worte sind allen bekannt: „Geschaffen hast Du uns zu Dir, und ruhelos ist unser Herz, bis es seine Ruhe findet in Dir“. Er sieht ihn als Möglichkeit, zur unmittelbaren Gottesschau erhoben zu werden: das Endliche, das an das Unendliche rührt. In dem Werk „Über die Dreieinigkeit“, De Trinitate, schreibt er dazu: „Der Mensch ist insofern Gottes Abbild, als er seiner fähig ist und an ihm teilhaben kann“. Diese Fähigkeit „ist der unsterblichen Natur der vernünftigen Seele des Menschen auf unsterbliche Weise eingepflanzt“ und deshalb der Beweis seiner Vortrefflichkeit: „weil er des höchsten Wesens fähig ist und an ihm teilhaben kann, ist er groß“. Außerdem sieht er den Menschen als jenes Wesen, das auf Gott angewiesen ist, wenn es sich nach der Glückseligkeit sehnt, die es nur in Gott finden kann. „Die menschliche Natur wurde in solcher Größe und Vortrefflichkeit geschaffen, dass sie, mag sie auch wandelbar sein, dennoch durch ihre Anhänglichkeit an das unwandelbare Gute, also an den höchsten Gott, zur Glückseligkeit gelangt und ihr Bedürfnis nicht erfüllen kann, wenn sie nicht wenigstens glücklich ist, aber es zu erfüllen, ist nur Gott imstande“.