27.03.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zur Sehnsucht, Gott zu sehen

Liebe Jugendliche, auch Euch lade ich ein, jene „Griechen” nachzuahmen, die, bewegt von dem Verlangen, „Jesus zu sehen”, sich an Philippus gewandt haben. Eure Suche soll nicht einfach von der intellektuellen Neugierde, die an sich schon wertvoll ist, her motiviert sein, sie soll vielmehr dem inneren Bedürfnis entspringen, eine Antwort auf die Fragen nach dem Sinn eures Lebens zu finden. Sucht auch Ihr, ähnlich dem reichen jungen Mann des Evangeliums, Jesus und stellt ihm die Frage: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” (Mk 10,17). Der Evangelist Markus präzisiert, dass Jesus ihn ansah und liebte. Denkt auch an jene andere Episode, bei der Jesus dem Natanaël sagt: „Schon bevor dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen”, was dem Herzen jenes Israeliten, in dem keine Falschheit war (vgl. Joh 1,47), das schöne Glaubensbekenntnis entspringen ließ: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes!” (Joh 1,49). Jeder der sich Christus mit einem Herzen ohne Vorurteile nähert, kann ohne große Schwierigkeit zum Glauben gelangen, denn es ist Jesus selbst, der ihn zuerst gesehen und geliebt hat. Der erhabenste Aspekt der Menschenwürde ist nämlich seine Berufung, sich Gott unter diesem tiefen Blickaustausch, der das Leben zu verändernd vermag, mitzuteilen. Um Jesus zu sehen, muss man sich vor allem von ihm anschauen lassen!

Die Sehnsucht, Gott zu sehen, lebt im Herzen jedes Mannes und jeder Frau. Liebe Jugendliche, lasst Euch von Jesus in die Augen schauen, damit in Euch die Sehnsucht wächst, das Licht zu sehen, den Glanz der Wahrheit zu kosten. Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, Gott hat uns erschaffen, weil er uns liebt und damit wir unsererseits ihn lieben. Hier sehen wir den Grund der Sehnsucht nach Gott, die nicht unterdrückt werden kann und die der Mensch in seinem Herzen trägt: „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir” (Ps 27,8). Dieses Angesicht – das wissen wir – hat uns Gott in Jesus Christus offenbart.

Wollt auch Ihr, liebe Jugendliche, die Schönheit dieses Angesichtes betrachten? Das ist die Frage, die ich an Euch an diesem Weltjugendtag des Jahres 2004 richte. Gebt darauf keine zu schnelle Antwort. Lasst es vor allem erst in Euch still werden. Lasst aus der Tiefe des Herzens diese brennende Sehnsucht, Gott zu sehen, hervorquellen, eine Sehnsucht, die hin und wieder von dem Lärm der Welt und den Versuchungen sich zu vergnügen erstickt wird. Lasst diese Sehnsucht aufsteigen und Ihr werdet die wunderbare Erfahrung der Begegnung mit Jesus machen. Das Christentum ist nicht allein eine Lehre; es ist eine Begegnung im Glauben mit Gott, der durch die Menschwerdung Jesu in unserer Geschichte anwesend ist.

Versucht mit allen Mitteln, diese Begegnung zu ermöglichen, indem Ihr auf Jesus schaut, der Euch mit Leidenschaft sucht. Sucht ihn mit den Augen des Körpers mittels der Ereignisse des Lebens und im Angesicht der anderen; sucht ihn aber auch mit den Augen der Seele durch Gebet und Betrachtung des Gotteswortes, denn „die Betrachtung des Angesichtes Christi muss sich an dem inspirieren, was uns die Heilige Schrift über ihn sagt” (Novo millennio ineunte, 17).

Botschaft an die Jugendlichen, 22. Februar 2004