25.08.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zum Liebesgebot

Gegenüber der Liebe Gottvaters können wir nicht gleichgültig bleiben; sie verlangt nach Erwiderung in ständigem Liebesbemühen. Dieses Bemühen erfährt eine immer tiefere Bedeutung, je mehr wir Jesus nahekommen, der in vollkommener Gemeinschaft mit dem Vater lebt und so für uns zum Vorbild wird.

Im kulturellen Sinnzusammenhang des Alten Testaments ist die Autorität des Vaters unbeschränkt und wird als ein Vergleichsbegriff genommen, um die Autorität des Schöpfergottes zu beschreiben, die keine Beanstandungen duldet. In Jesaja lesen wir: »Weh dem, der zum Vater sagt: Warum zeugtest du mich?, und zur Mutter: Warum brachtest du mich zur Welt? So spricht der Herr, der Heilige Israels und sein Schöpfer: Wollt ihr mir etwa Vorwürfe machen wegen meiner Kinder und Vorschriften über das Werk meiner Hände?« (Jes 45,10 f.). Ein Vater hat auch die Aufgabe, den Sohn zu führen und ihn wenn nötig mit Strenge zu ermahnen. Das Buch der Sprichwörter erinnert daran, dass das auch für Gott gilt: »Wen der Herr liebt, den züchtigt er, wie ein Vater seinen Sohn, den er gern hat« (Spr 3,12; vgl. Ps 103,13). Der Prophet Maleachi bestätigt seinerseits die erbarmungsvolle Zuneigung Gottes zu seinen Kindern (Mal 3,17), aber es handelt sich dabei doch stets um eine anspruchsvolle Liebe: »Denkt an das Gesetz meines Knechtes Mose; am Horeb habe ich ihm Satzung und Recht übergeben, die für ganz Israel gelten« (Mal 3,22).

Das Gesetz, das Gott seinem Volk gibt, ist nicht eine von einem tyrannischen Vater auferlegte Last, sondern Ausdruck jener Vaterliebe, die den rechten Weg für das menschliche Verhalten weist und Bedingung ist, um der Verheißungen Gottes teilhaftig zu werden. Das ist der Sinn der Aufforderung des Deuteronomiums: »Du sollst auf die Gebote des Herrn, deines Gottes, achten, auf seinen Wegen gehen und ihn fürchten«, die in engem Zusammenhang steht mit der Verheißung, dass Gott, der Herr, sein Volk »in ein prächtiges Land führt« (Dtn 8,6 f.). Als Satzung, die den Bund zwischen Gott und den Söhnen Israels festlegt, ist das Gesetz von der Liebe geleitet. Es zu übertreten bleibt jedoch nicht ohne Folgen und bringt schmerzliche Resultate mit sich, die allerdings stets unter der Logik der Liebe stehen, denn sie veranlassen den Menschen zu einem heilsamen bewusstwerden einer grundlegenden Dimension seines Seins. »Wenn unser Herz die Größe und Liebe Gottes entdeckt, wird es von Abscheu vor der Sünde und von ihrer Last erschüttert. Es beginnt davor zurückzuschrecken, Gott durch die Sünde zu beleidigen und so von ihm getrennt zu werden« (KKK, 1432).

Wenn der Mensch sich von seinem Schöpfer abwendet, fällt er notwendigerweise ins Böse, in den Tod, ins Nichts. Im Gegenteil ist Zuwendung zu Gott Quelle des Lebens und Segens. Das wird ebenfalls vom Buch Deuteronomium betont: »Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor. Wenn du auf die Gebote des Herrn, deines Gottes, auf die ich dich heute verpflichte, hörst, indem du den Herrn, deinen Gott, liebst, auf seinen Wegen gehst und auf seine Gebote, Gesetze und Rechtsvorschriften achtest, dann wirst du leben und zahlreich werden, und der Herr, dein Gott, wird dich in dem Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen, segnen« (Dtn 30,15 f.).