25.03.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zum heutigen Evangelium

»Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen« (Mt 1, 20-21).

Diese Worte enthalten den zentralen Kern der biblischen Wahrheit über den hl. Josef, den Augenblick seines Daseins, auf den im besonderen die Kirchenväter Bezug nehmen.

Der Evangelist Matthäus erläutert die Bedeutung dieses Augenblicks, indem er auch beschreibt, wie ihn Josef erlebt hat. Um jedoch den Inhalt und Zusammenhang seiner Aussage ganz zu verstehen, muss man sich die Parallelstelle desLukasevangeliums vergegenwärtigen. Denn im Verhältnis zu dem Vers, wo es heißt: »Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte es sich, dass sie ein Kind erwartete — durch das Wirken des Heiligen Geistes« (Mt 1, 18), findet die Herkunft der Schwangerschaft Mariens »durch das Wirken das Heiligen Geistes« eine ausführlichere und genauere Beschreibung in dem, was wir bei Lukas über die Verkündigung der Geburt Jesu lesen: »Der Engel Gabriel wurde von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria« (Lk 1, 26-27). Die Worte des Engels: »Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir« (Lk 1, 28), lösten in Maria eine tiefe Beunruhigung aus und hielten sie zugleich zum Nachdenken an. Da beruhigte der Bote die Jungfrau und offenbarte ihr Gottes besonderen Plan in Bezug auf sie: »Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben« (Lk 1, 30-32).

Wenige Verse vorher hatte der Evangelist gesagt, dass bei der Verkündigung Maria »mit einem Mann namens Josef verlobt war, der aus dem Haus David stammte«. Das Wesen dieser »Vermählung» wird indirekt erklärt, als Maria, nachdem sie die Worte des himmlischen Boten bezüglich der Geburt des Sohnes gehört hat, fragt: »Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?« (Lk 1, 34). Darauf erhält sie folgende Antwort: »Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden« (Lk 1, 35). Maria wird, auch wenn sie schon mit Josef »verheiratet« ist, Jungfrau bleiben, weil das schon bei der Verkündigung in ihr empfangene Kind durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen worden war.

In diesem Punkt stimmt der Text des Lukas mit jenem von Mt 1, 18 überein und kann uns zur Erklärung dessen dienen, was wir dort lesen. Wenn sich nach der Vermählung Mariens mit Josef »zeigte, dass sie ein Kind erwartete durch das Wirken des Heiligen Geistes«, so entspricht diese Aussage durchaus dem Inhalt der Verkündigung und insbesondere den abschließend von Maria gesprochenen Worten: »Mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1, 38). Nachdem Maria auf den klaren Plan Gottes geantwortet hat, wird in den folgenden Tagen und Wochen vor den Leuten und vor Josef offenkundig, dass sie »ein Kind erwartet«, dass sie gebären soll und das Geheimnis der Mutterschaft in sich trägt.

Unter diesen Umständen »beschloß Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, sich in aller Stille von ihr zu trennen« (Mt 1, 19). Er wußte nicht, wie er sich angesichts der »wundersamen« Mutterschaft Mariens verhalten sollte. Er suchte natürlich eine Antwort auf die beunruhigende Frage, vor allem aber suchte er nach einem Ausweg aus der für ihn schwierigen Situation. »Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen, denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen« (Mt 1, 20-21).

Zwischen der »Verkündigung« bei Matthäus und jener bei Lukas besteht eine enge Übereinstimmung. Der Bote Gottes weiht Josef in das Geheimnis der Mutterschaft Mariens ein. Sie, die dem Gesetz nach seine »Frau« ist, auch wenn sie Jungfrau bleibt, ist kraft des Heiligen Geistes Mutter geworden. Und wenn der Sohn, den Maria im Schoß trägt, zur Welt kommt, soll er den Namen Jesus erhalten. Das war ein bei den Israeliten bekannter Name, der ab und zu den Söhnen gegeben wurde. In diesem Fall jedoch handelt es sich um den Sohn, der — entsprechend der göttlichen Verheißung — die Bedeutung dieses Namens voll erfüllen wird: Jesus — Yehošua', was bedeutet: Gott ist Heil.

Der Bote wendet sich an Josef als den »Mann Mariens«, der dem Sohn, der von der mit ihm verheirateten Jungfrau aus Nazaret geboren werden wird, dann diesen Namen geben soll. Er wendet sich also an Josef und überträgt ihm für den Sohn Mariens die Aufgaben eines irdischen Vaters.

»Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich« (Mt 1, 24). Er nahm sie zu sich mit dem ganzen Geheimnis ihrer Mutterschaft, er nahm sie zu sich zusammen mit dem Sohn, der durch das Wirken des Heiligen Geistes zur Welt kommen würde: damit bewies er in bezug auf das, was Gott ihm durch seinen Boten aufgetragen hatte, eine willige Verfügbarkeit, die jener Mariens ähnlich ist.

Aus dem Apostolischen Schreiben „ Redemptoris Custos“, 15. August 1989