24.04.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zum heutigen Evangelium

Die liturgischen Texte unserer Vigil sind zu einem Teil die gleichen wie die der Ostervigil. Sie beziehen sich auf die Taufe. Das Evangelium des hl. Johannes erzählt das nächtliche Gespräch Christi mit Nikodemus. Dieser, ein Mitglied des Sanhedrin, sucht Jesus auf und bringt seinen Glauben zum Ausdruck: „Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist, denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist“ (Joh 3,2). Jesus antwortet ihm: „Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3,3). Nikodemus fragt ihn: „Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden“ (Joh 3,4). Jesus antwortet: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist“ (Joh 3,5-6).

Jesus läßt Nikodemus von den sichtbaren zu den unsichtbaren Wirklichkeiten kommen. Jeder von uns ist aus dem Mann und der Frau geboren, von einem Vater und einer Mutter. Diese Geburt ist der Ausgangspunkt unseres Daseins. Nikodemus denkt an diese natürliche Wirklichkeit. Christus ist demgegenüber aber in die Welt gekommen, um eine andere Geburt zu offenbaren, die geistige Geburt. Wenn wir unseren Glauben bekennen, dann sagen wir, wer Christus ist: „Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater – consubstantialis Patri; durch ihn ist alles geschaffen – per quem omnia facta sunt; für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden, descendit de caelis et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria virgine et homo factus est.“ Ja, liebe jungen Freunde, der Sohn Gottes ist auch für euch alle Mensch geworden — für jeden einzelnen von euch!

„Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren ist, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (3,5). Um in das Reich Gottes zu kommen, muss der Mensch also von neuem geboren werden, nicht nach den Gesetzen des Fleisches, sondern nach dem Geist. Die Taufe ist genau das Sakrament dieser Geburt. Der Apostel Paulus erklärt tiefschürfend in dem Abschnitt aus dem Römerbrief, den wir gehört haben: „Wißt ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Röm 6,3-4). Der Apostel verrät uns hier den Sinn der neuen Geburt; er zeigt, warum das Sakrament der Taufe durch Eintauchen ins Wasser gespendet wird. Es handelt sich hier nicht um ein symbolisches Eintauchen ins Leben Gottes. Die Taufe ist das konkrete und wirksame Zeichen des Eintauchens in den Tod und in die Auferstehung Christi. Wir verstehen daher, warum die Tradition die Taufe mit der Ostervigil verbunden hat. An diesem Tag, und vor allem in dieser Nacht, erlebt die Kirche von neuem den Tod Christi, ist sie ganz hineingenommen in die Umwälzung dieses Todes, aus dem ein neues Leben ersteht. Die Vigil ist also im genauen Sinn des Wortes Erwartung: Die Kirche erwartet die Auferstehung; sie erwartet das Leben, das der Sieg über den Tod sein wird und das den Menschen in dieses Leben hineinzieht.