24.02.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. über die Armut im Geiste

1. „Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. . . Er stürzt die. Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“ Mit diesen Worten preist Maria die göttliche Weisheit, die Gefallen findet an den Demütigen und die zu Fall bringt, die sich ausschließlich auf ihre eigene Sicherheit verlassen.

Die Armut ist eine Tugend, die von der Spiritualität des Alten Testaments erst allmählich begriffen wurde. In der Folge der Babylonischen Gefangenschaft gewinnt dieser Begriff eine immer stärker verinnerlichte Bedeutung. Das heißt, „arm“ ist derjenige, der mit ganzem Herzen dem Herrn anhängt, indem er seinem Willen gehorcht, der im Gesetz des Mose seinen konkreten Ausdruck findet.

Die so verstandene Armut beschrankte sich aber nicht auf eine hohle Innerlichkeit, die sich nicht um die Verpflichtung zur sozialen Gerechtigkeit zu kümmern brauchte. Im Gegenteil, die Beobachtung des mosaischen Gesetzes brachte sichtbare Wirkungen der Brüderlichkeit hervor. Denn es forderte dringend die Unterstützung der Bedürftigen, der Witwen, der Waisen, der Sklaven und der Fremden; außerdem sah es anläßlich des Sabbat- und Jubeljahres den Schuldennachlaß vor.

2. Maria, schreibt das Zweite Vatikanische Konzil, „ragt unter den Demütigen und Armen des Herrn hervor, die das Heil mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen.“

In der Armut Mariens erreicht die Armut, wie sie von vielen Gerechten des Alten Testaments gelebt wurde, ihren Höhepunkt. Die Verkündigung weist die Jungfrau als Geschöpf aus, das „arm im Geist“ ist, die sich aber mit ihrem „mir geschehe, wie du es gesagt hast“ in vollkommener Fügsamkeit dem Willen Gottes öffnet.

Bis zu ihrem Eingehen in die himmlische Herrlichkeit sollte die Armut Mariens in der hochherzigen Hingabe an die Person und das Werk ihres Sohnes bestehen Und immer im Helldunkel des Glaubens.“

3. Auch für uns als Jünger des Herrn bedeutet die Armut im Geiste soviel wie den bedingungslosen Gehorsam gegenüber seinem Evangelium. Das ist eine Herzenserziehung, zu der Paulus mit folgenden Worten mahnt:

„Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.“

Gerade auch das soziale Problem, verstanden als gerechte Verteilung der materiellen und ethischen Güter, hängt mehr denn je von einem ähnlichen Armutsstil ab. Die aufrichtige Zustimmung zum Wort Christi erträgt die Schande der Ungerechtigkeit und Unterdrückung nicht. Die Urgemeinde in Jerusalem, zu der Maria gehörte, war eifrig darauf bedacht, „festzuhalten an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ , und als Folge dieses Eifers für das Evangelium hatten sie alles gemeinsam, und keiner von ihnen litt Not. Möge Christus in euch die Armut Mariens wecken! Dann wird die Macht seines Geistes euch freien Zugang zu der „großen Sache“ der Erlösung schenken. Dann werden wir selig sein, denn uns gehört das Himmelreich.

Angelus, 25. September 1983