23.11.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. über die Ablehnung und Isolation des Gerechten

Das Leben des Gläubigen ist oft Spannungen, Widersprüchen, manchmal auch Ablehnung und sogar Verfolgung ausgesetzt. Das Verhalten des Gerechten irritiert, weil es wie eine Mahnung gegenüber den anmaßenden und niederträchtigen Menschen wirkt. Die im Buch der Weisheit beschriebenen Frevler kennen den Gerechten: »Er ist unserer Gesinnung ein lebendiger Vorwurf, schon sein Anblick ist uns lästig; denn er führt ein Leben, das dem der andern nicht gleicht, und seine Wege sind grundverschieden« (Weish 2,14–15).

Der Gläubige weiß, dass sein konsequentes Verhalten Isolation und sogar Verachtung und Feindschaft hervorruft in einer Gesellschaft, die oft den persönlichen Vorteil, den äußeren Erfolg, den Reichtum und den zügellosen Genuß als Ziel wählt. Dennoch ist der glaubende Mensch nicht allein, und sein Herz bewahrt einen erstaunlichen inneren Frieden, denn – so heißt es in der herrlichen »Antiphon« des Psalms– »Der Herr ist mein Licht und Heil … Der Herr ist die Kraft (des) Lebens« des Gerechten (Ps 27,1). Er wiederholt ständig: »Vor wem sollte ich mich fürchten? … Vor wem sollte mir bangen? … Mein Herz wird nicht verzagen … Ich bleibe dennoch voll Zuversicht « (V. 1.3).

In der Tat, der Beter legt sein Leben in Gottes Hände, ja, sein Wunschtraum findet auch in einem anderen Psalm Ausdruck (vgl. 23,6): »…im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.« Dort wird er »die Freundlichkeit des Herrn schauen« (Ps 27,4), das göttliche Geheimnis betrachten und bewundern, am liturgischen Opfer teilhaben und sein Lob zu Gott, dem Befreier (vgl. V. 6), erheben. Der Herr schafft um seinen Gläubigen einen Horizont des Friedens, der den Lärm des Bösen nicht eindringen läßt. Die Gemeinschaft mit Gott ist Quelle der Gelassenheit, der Freude, der Ruhe; sie ist gleichsam eine Oase des Lichts und der Liebe.

Hören wir jetzt zum Abschluß unserer Reflexion die Worte des Mönchs Jesaja des Syrers, der in Ägypten in der Wüste gelebt hat und in Gaza um 491 n. Chr. gestorben ist. In seinem Asceticon wendet er unseren Psalm auf das Gebet in der Versuchung an: »Wenn wir sehen, dass uns die Feinde mit ihren Schlichen bedrängen, das heißt mit der Trägheit, sei es, dass sie unsere Gesinnung durch den Genuß schwächen, oder weil wir unseren Ärger gegen den Nächsten nicht zügeln, wenn dieser gegen seine Pflichten verstößt; oder wenn sie unsere Augenlider schwer machen, um sie zur Begierde zu verführen; oder wenn sie uns dazu verleiten wollen, die Gaumenfreuden zu verkosten; wenn sie die Rede des Nächsten uns gegenüber vergiften; wenn sie uns die Worte anderer herabwürdigen lassen; wenn sie uns verleiten, Unterschiede zwischen den Brüdern zu machen, indem sie sagen: Dieser ist gut, der andere ist schlecht. Wenn uns also alle diese Dinge umgeben, dürfen wir nicht den Mut verlieren, sondern vielmehr wie David mit festem Herzen rufen: ›Der Herr ist die Kraft meines Lebens!‹ (Ps 27,1)« (Recueil ascétique, Bellefontaine 1976, S. 211).