21.01.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zur Abtreibung

Unter allen Verbrechen, die der Mensch gegen das Leben begehen kann, weist die Vornahme der Abtreibung Merkmale auf, die sie besonders schwerwiegend und verwerflich machen. Das II. Vatikanische Konzil bezeichnet sie und die Tötung des Kindes als „verabscheuungswürdiges Verbrechen“.

Doch heute hat sich im Gewissen vieler die Wahrnehmung der Schwere des Vergehens nach und nach verdunkelt. Die Billigung der Abtreibung in Gesinnung, Gewohnheit und selbst im Gesetz ist ein beredtes Zeichen für eine sehr gefährliche Krise des sittlichen Bewusstseins, das immer weniger imstande ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, selbst dann, wenn das Grundrecht auf Leben auf dem Spiel steht. Angesichts einer so ernsten Situation bedarf es mehr denn je des Mutes, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und die Dinge beim Namen zu nennen, ohne bequemen Kompromissen oder der Versuchung zur Selbsttäuschung nachzugeben....

Den Tod des noch ungeborenen Kindes beschließen außer der Mutter häufig andere Personen. Schuldig sein kann vor allem der Vater des Kindes, nicht nur, wenn er die Frau ausdrücklich zur Abtreibung drängt, sondern auch, wenn er ihre Entscheidung dadurch indirekt begünstigt, dass er sie mit den Problemen der Schwangerschaft allein lässt: auf diese Weise wird die Familie... in ihrem Wesen als Liebesgemeinschaft ... entwürdigt. Nicht verschwiegen werden dürfen sodann die Beeinflussungen, die aus dem weiteren Familienverband und von Freunden kommen. Nicht selten ist die Frau einem so starken Druck ausgesetzt, dass sie sich psychologisch gezwungen fühlt, in die Abtreibung einzuwilligen: ohne Zweifel lastet in diesem Fall die sittliche Verantwortung besonders auf denen, die sie direkt oder indirekt gezwungen haben, eine Abtreibung vorzunehmen. Verantwortlich sind auch die Ärzte und das Pflegepersonal, wenn sie ihre berufliche Kompetenz, die sie erworben haben, um das Leben zu fördern, in den Dienst des Todes stellen.

Aber in die Verantwortung miteinbezogen sind auch die Gesetzgeber, die Abtreibungsgesetze... beschlossen haben, und in dem Maße, in dem die Sache von ihnen abhängt, die Verwalter der Einrichtungen des Gesundheitswesens, die für die Durchführung von Abtreibungen benutzt werden...

Einen besonderen Gedanken möchte ich euch, den Frauen, vorbehalten, die sich für eine Abtreibung entschieden haben. Die Kirche weiß, wie viele Bedingtheiten auf eure Entscheidung Einfluss genommen haben können und sie bezweifelt nicht, dass es sich in vielen Fällen um eine leidvolle, vielleicht dramatische Entscheidung gehandelt hat. Die Wunde in eurem Herzen ist wahrscheinlich noch nicht vernarbt. Was geschehen ist, war... zutiefst unrecht. Lasst euch jedoch nicht von Mutlosigkeit ergreifen... Sucht vielmehr das Geschehene zu verstehen und interpretiert es in der Wahrheit. ... Öffnet euch voll Demut und Vertrauen der Reue: der Vater allen Erbarmens wartet auf euch... im Sakrament der Versöhnung... Ihr werdet merken, dass nichts verloren ist, und werdet auch euer Kind um Vergebung bitten können, das jetzt im Herrn lebt. Mit Hilfe des Rates und der Nähe befreundeter und zuständiger Menschen werdet ihr mit eurem erlittenen Zeugnis unter den beredtesten Verfechterinnen des Rechts aller auf Leben sein können. Durch euren Einsatz für das Leben... werdet ihr eine neue Betrachtungsweise des menschlichen Lebens schaffen.

(Auszüge aus Evangelium Vitae No.59/No 99)