19.07.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zum Evangelium vom 19.07.2017

Die Beziehung Jesu zum Vater ist einzigartig. Er weiß, dass er immer erhört wird, er weiß, dass der Vater die eigene Herrlichkeit durch ihn zum Ausdruck bringt, auch wenn die Menschen daran zweifeln mögen und von ihm selbst davon überzeugt werden müssen. Das alles können wir in der Episode der Auferweckung des Lazarus erkennen: »Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich wußte, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herum steht, habe ich es gesagt; denn sie sollen glauben, dass du mich gesandt hast« (Joh 11,41-42). Kraft dieses ganz besonderen Einverständnisses kann Jesus sich selbst als Offenbarer des Vaters darstellen – in einer Kenntnis, die das Ergebnis einer tiefinneren und geheimnisvollen Gegenseitigkeit ist, wie er selbst in seiner Dankeshymne unterstreicht: »Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will« (Mt 11,27) (vgl. KKK, 240). Der Vater seinerseits tut diese einzigartige Beziehung kund, die der Sohn mit ihm pflegt, und nennt ihn seinen »geliebten« Sohn: so zum Beispiel bei der Taufe im Jordan (vgl. Mk 1,11) und bei der Verklärung (vgl. Mk 9,7). Jesus wird auf besondere Weise auch im Gleichnis von den bösen Winzern genannt: Sie mißhandeln zuerst die beiden Knechte und dann den »geliebten Sohn« des Besitzers, die er gesandt hatte, um sei-nen Anteil an den Früchten des Weinbergs holen zu lassen (vgl. Mk 12,1-11, bes. V. 6).

Das Markusevangelium hat uns das aramäische Wort »Abba« überliefert (vgl. Mk 14,36), mit dem Jesus in der schmerzlichen Stunde in Getsemani den Vater angerufen und ihn gebeten hat, den Kelch des Leidens von ihm abzuwenden. Im Matthäusevangelium wird im gleichen Zusammenhang die Bezeichnung »Mein Vater« verwendet (vgl. Mt 26,39, vgl. auch V. 42), während bei Lukas einfach »Vater« steht (vgl. Lk 22,42). Der aramäische Terminus, den wir in den modernen Sprachen mit »Papa« oder »Vati« übersetzen könnten, bringt die liebevolle Zärtlichkeit eines Sohnes zum Ausdruck. Jesus verwendet ihn auf ursprüngliche Weise, um sich an Gott zu wenden und um in der erfüllten Reife seines Lebens, das sich am Kreuz seinem Ende zuneigt, die enge Beziehung anzudeuten, die ihn auch in jenen dramatischen Momenten mit dem Vater verbindet. »Abba« steht für die außergewöhnliche Nähe zwischen Jesus und Gott-Vater: eine Vertrautheit, die es im biblischen oder außerbiblischen religiösen Kontext noch nie gegeben hatte. Kraft des Todes und der Auferstehung Jesu, des einzigen Sohnes dieses Vaters, werden auch wir – laut Paulus – zur Sohneswürde erhoben und besitzen den Heiligen Geist, indem wir rufen: »Abba, Vater« (vgl. Röm 8,15; Gal 4,6). Dieser einfache Ausdruck aus der Kindersprache, tagtäglich im Milieu Jesu und bei allen Völkern verwendet, hat so eine lehrmäßige Bedeutung höchster Relevanz angenommen, um die einzigartige göttliche Vaterschaft gegenüber Jesus und seinen Jüngern zum Ausdruck zu bringen.