19.02.2017

Hl..Papst Johannes Paul II. — Die Überwindung Satans

Dämonologie

1. Unsere Katechesen* über Gott, den Schöpfer der «unsichtbaren» Dinge, haben uns dazu geführt, unseren Glauben, soweit er die Wahrheit über den Bösen oder Satan betriff, zu klären und zu stärken. Der Böse war sicherlich nicht von Gott, der höchsten Liebe und Heiligkeit, gewollt, und die weise und starke Göttliche Vorsehung weiß unser Dasein zum Sieg über den Fürsten der Finsternis zu führen.

.*Gemeint sind die sechs Papstkatechesen, die Papst Johannes Paul II. über die guten und die gefallenen Engel vorgetragen hat. Die vorliegende Katechese über Satan hat er am 21. August 1986 gehalten. Alle sechs Katechesen sind erschienen unter dem Titel: Die Engel, Sechs Papstkatechesen. Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Ferdinand Hölböck, Christiana-Verlag, Stein am Rhein, 1991.

Der Glaube der Kirche lehrt uns ja, dass die Macht Satans nicht unendlich ist. Er ist nur ein Geschöpf, als reines Geistwesen zwar mächtig, aber doch immer ein Geschöpf, mit den Grenzen des Geschöpfes, dem Willen und der Herrschaft Gottes unterworfen. Wenn Satan in der Welt aus Hass gegen Gott und sein Reich am Werk ist, dann ist ihm das von der Göttlichen Vorsehung Zugestanden, die mit Macht und Güte («fortiter et suaviter») die Geschichte des Menschen und der Welt lenkt. Wenn die Machenschaften Satans gewiss auch den einzelnen und der Gesellschaft viel Schaden zufügen – geistiger und indirekt auch körperlicher Natur –, so ist er aber doch nicht imstande, die endgültige Bestimmung, auf die hin der Mensch und die ganze Schöpfung angelegt sind, nämlich das Gute, zunichte zu machen. Er kann den Aufbau des Gottesreiches nicht verhindern, in welchen am Ende die Gerechtigkeit und Liebe des Vaters zu den von Ewigkeit her im Sohn, dem göttlichen Wort, vorherbestimmten Geschöpfen zu voller Verwirklichung kommen. Wir können sogar mit dem heiligen Paulus sagen, dass selbst das Werk des Bösen schließlich zum Guten führt (vgl. Röm 8,28) und den Auserwählten zum Ruhm gereicht.

2. So kann die ganze Geschichte der Menschheit im Dienst der sich vollziehenden allumfassenden Erlösung gesehen werden, die geprägt ist vom Sieg Christi über den «Herrscher dieser Welt» (Joh 12, 31; 14, 30; 16, 11). «Vor dem Herren, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen» (Lk 4, 8), ist die unumstößliche Antwort Christi an den Satan. In einem dramatischen Augenblick seines Dienstes, als ihn jemand herausfordernd beschuldigte, die Dämonen auszutreiben, weil er mit Beelzebub, dem Anführer der Dämonen, verbündet sei, antwortete Jesus mit den ernsten und doch tröstlichen Worten: «Jedes Reich, das in sich gespalten ist, geht zugrunde, und keine Stadt und keine Familie, die in sich gespalten ist, wird Bestand haben. Wenn also der Satan den Satan austreibt, dann liegt der Satan mit sich selbst im Streit. Wie kann sein Reich dann Bestand haben? ... Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen» (Mt 12, 25-26; 28). «Solange ein bewaffneter, starker Mann seinen Hof bewacht, ist sein Besitz sicher; wenn ihn aber ein Stärkerer angreift und besiegt, dann nimmt ihm der Stärkerer all seine Waffen weg, auf die er sich verlassen hat, und verteilt die Beute.» (Lk 11, 21-22). Die Worte, die Christus in Bezug auf den Satan sprach, finden ihre geschichtliche Erfüllung im Kreuz und in der Auferstehung des Erlösers. Wie wir im Brief an die Hebräer lesen, hat Christus das menschliche Dasein geteilt bis hin zum Kreuz, «um durch seinen Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um die zu befreien, die… der Knechtschaft verfallen waren» (Hebr 2, 14-15). Das ist die große Gewissheit des christlichen Glaubens: «Der Herrscher dieser Welt ist gerichtet» (Joh 16, 11); «der Sohn ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören» (1 Joh 3, 8), wie uns der heilige Johannes bestätigt. Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, hat sich also als jener «Stärkere» geoffenbart, der den «starken Mann», den Teufel, besiegt und dem er die Gewalt genommen hat.

Die Kirche hat Anteil am Sieg Christi über den Teufel: Christus hat in der Tat seinen Jüngern die Gewalt gegeben, Dämonen auszutreiben (vgl. Mt 10, 1 und parallel Mk 16, 17). Die Kirche übt diese sieghafte Gewalt aus durch den Glauben an Christus und durch das Gebet (vgl. Mk 9, 29; Mt 17, 19f), das in bestimmten Fällen die Form des Exorzismus annehmen kann.

3. Diese geschichtliche Phase des Sieges Christi ist von der Ankündigung und dem Beginn des Endsieges, der Parusie (Wiederkunft Christi beim Jüngsten Gericht), geprägt, des zweiten und endgültigen Kommens Christi am Schluss der Geschichte, auf das hin das Leben des Christen entworfen ist. Wenn es auch wahr ist, dass die irdische Geschichte weiterhin abläuft unter dem Einfluss «jenes Geistes, der» – wie der heilige Paulus sagt – «in den Ungehorsamen wirksam ist» (Eph 2, 2), so wissen die Gläubigen doch, dass sie dazu berufen sind, für den endgültigen Sieg im Guten zu kämpfen: «Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs» (Eph 6, 12).

4. Der Kampf wird allmählich, wenn es dem Ende zugeht, in gewissem Sinn immer heftiger, wie es vor allem die Offenbarung des heiligen Johannes hervorhebt, das letzte Buch des Neuen Testamentes (vgl. Offb 12, 7-9). Aber gerade dieses Buch betont die Gewissheit, die uns von der ganzen göttlichen Offenbarung gegeben ist: dass nämlich dieser Kampf mit dem endgültigen Sieg des Guten endet. In diesem Sieg, der bereits im Voraus im Ostergeheimnis Christi enthalten ist, erfüllt sich definitiv die erste Ankündigung aus dem Buch Genesis, die den bezeichnenden Namen Protoevangelium trägt. Darin hält Gott der Schlange entgegen: «Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau» (Gen 3, 15). In dieser entscheidenden Phase wird Gott das Geheimnis seiner väterlichen Vorsehung zur Vollendung bringen und jene «der Macht der Finsternis entreißen», die er ewig «in Christus vorausbestimmt hat», und wird sie «in das Reich seines geliebten Sohnes aufnehmen» (vgl. Kol 1, 13-14). Dann wird der Sohn dem Vater auch das ganze Universum unterwerfen, damit «Gott herrscht über alles und in allem» (1 Kor 15, 28).

5. Hier schließen die Katechesen über Gott, den Schöpfer der «sichtbaren und unsichtbaren Dinge», die wir in der Anordnung unserer Darlegungen mit der Wahrheit über die Göttliche Vorsehung verbunden hatten. In den Augen des Glaubenden ist ganz offensichtlich das Geheimnis vom Anfang der Welt und der Geschichte unlösbar verbunden mit dem Geheimnis des Endes, in dem alles Erschaffene seiner Bestimmung gemäß zur Erfüllung kommt. Das Credo, das viele Wahrheiten so organisch verbindet, ist wirklich die harmonisch aufgebaute Kathedrale unseres Glaubens.

In fortschreitender und organischer Weise konnten wir staunend das große Geheimnis der Weisheit und Liebe Gottes in seinem Handeln als Schöpfer des Kosmos, der Menschen und der Welt der reinen Geistwesen bewundern. Wir haben den trinitarischen Urgrund dieses Handelns betrachtet, die weise Zielbestimmung für das Leben des Menschen, der ein wahres «Abbild Gottes» ist und berufen, seine volle Würde in der Anschauung der göttlichen Herrlichkeit zu finden. Wir haben Licht empfangen über eines der größten Probleme, die den Menschen beunruhigen und von denen seine Suche nach der Wahrheit erfüllt ist: das Problem des Leidens und des Bösen. An dessen Wurzel steht nicht eine Fehlentscheidung von seiten Gottes, sondern sein Wunsch und in gewisser Weise sein Wagnis, uns als Freie zu erschaffen, um uns als Freunde zu haben. Aus der Freiheit ist das Böse hervorgegangen. Aber Gott gibt nicht nach, und in seiner transzendenten Weisheit bestimmt er uns zu seinen Söhnen und Töchtern in Christus und leitet alles mit Macht und Milde, damit das Gute nicht vom Bösen besiegt wird.

Nun müssen wir uns von der göttlichen Offenbarung bei der Untersuchung anderer Geheimnisse unserer Erlösung führen lassen. Einstweilen haben wir eine Wahrheit in uns aufgenommen, die jedem Christen am Herzen liegen muss: die Existenz reiner Geistwesen, Geschöpfe Gottes, die im Anfang alle gut waren und sich dann durch eine sündhafte Entscheidung der einen unwiderruflich in Engel des Lichts und Engel der Finsternis getrennt haben. Und während die Existenz der bösen Engel uns zur Wachsamkeit aufruft, damit wir nicht ihren Verlockungen nachgeben, sind wir gewiss, dass die siegreiche Macht Christi, des Erlösers, unser Leben umgibt, damit auch wir siegen. Dabei helfen uns kräftig die guten Engel, die Boten der Liebe Gottes, an die wir unser Gebet richten, wie es die Überlieferung der Kirche uns lehrt: «Engel Gottes, mein Beschützer, erleuchte, bewahre, leite und regiere mich, der ich von Gottes Vatergüte dir anvertraut bin. Amen.»

Katechese, 21. August 1986