17.04.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. — Das Antlitz des Auferstandenen

1. Die gewohnte Generalaudienz am Mittwoch wird heute von der lichtreichen Freude des Osterfestes erfüllt. In diesen Tagen feiert die Kirche mit Jubel das große Geheimnis der Auferstehung. Es ist eine tiefe und unauslöschliche Freude; sie gründet auf dem Geschenk von seiten des auferstandenen Christus, des neuen und ewigen Bundes, der bleibt, weil Er jetzt nicht mehr stirbt. Eine Freude, die sich nicht nur auf die Osteroktav beschränkt, die von der Liturgie als ein einziger Tag betrachtet wird, sondern auf die gesamten fünfzig Tage bis Pfingsten, und eigentlich erstreckt sie sich nunmehr auf alle Zeiten und Orte.

In diesem Zeitabschnitt ist die christliche Gemeinschaft zu einer neuen und vertieften Erfahrung des auferstandenen Christus eingeladen, der in Kirche und Welt lebt und wirkt.

2. In dieser wundervollen Atmosphäre des Lichtes und der Freude, die der Osterzeit eigen sind, möchten wir nun innehalten und gemeinsam das Antlitz des Auferstandenen betrachten. Dazu möchten wir das wiederaufnehmen und aktualisieren, was ich ohne zu zögern als »wesentlichen Kern« des großen Erbes, das uns das Jubiläumsjahr 2000 hinterlassen hat, definiert habe. Im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte betonte ich deshalb: »Wenn wir aber das große Erbe, das uns das Jubiläumsjahr übergibt, auf den wesentlichen Kern bringen wollten, würde ich ihn, ohne zu zögern, mit der Betrachtung des Angesichtes Christi umschreiben […] in seiner vielfältigen Gegenwart in der Kirche und in der Welt aufgenommen, als Sinn der Geschichte und Licht auf unserem Weg bekannt« (15).

Wie wir am Karfreitag und Karsamstag das leidende Antlitz Christi betrachtet haben, so wenden wir nun unseren Blick voller Glauben und dankbarer Liebe auf das Antlitz des Auferstandenen. Auf ihn schaut die Kirche in diesen Tagen; sie folgt dabei den Spuren des hl. Petrus, der Christus seine Liebe bekannte (vgl. Joh 21,15 –17), und den Schritten des hl. Paulus, der auf dem Weg nach Damaskus vom auferstandenen Jesus wie vom Blitz getroffen wurde (vgl. Apg 9,3 –5).

Die Osterliturgie stellt uns verschiedene Begegnungen mit dem Auferstandenen vor, die alle eine Aufforderung zur Vertiefung seiner Botschaft darstellen und uns dazu anspornen, den Glaubensweg derer, die ihn in den ersten Stunden nach der Auferstehung erkannten, nachzuahmen. So werden wir von den frommen Frauen und von Maria Magdalena zum Seeleneifer angespornt, wenn wir den Jüngern die Botschaft vom Auferstandenen überbringen (vgl. Lk 24,8 –10; Joh20,18). Der Apostel, den Er besonders liebte, belegt auf einzigartige Weise, wie gerade die Liebe die von den Zeichen der Auferstehung geprägte Wirklichkeit zu erkennen vermag: das leere Grab, der fehlende Leichnam, die zusammengelegten Grabtücher. Die Liebe sieht und glaubt, und sie drängt uns dazu, auf Denjenigen zuzugehen, der die volle Bedeutung aller Dinge in sich trägt: Jesus, der in alle Ewigkeit lebt.

3. In der heutigen Liturgie betrachtet die Kirche das Antlitz des Auferstandenen, indem sie sich mit den beiden Emmaus-Jüngern auf den Weg macht. Zu Beginn dieser Begegnung haben wir einen Abschnitt aus diesem wohlbekannten Bericht des Evangelisten Lukas gehört.

Der Weg nach Emmaus ist zwar mühsam, aber er führt von einem Gefühl der Mutlosigkeit und Verlassenheit zur Fülle des Osterglaubens. Wenn wir diesen Weg aufs neue gehen, erreicht auch uns der geheimnisvolle Weggefährte. Jesus gesellt sich zu uns; er nimmt uns dort auf, wo wir uns befinden, und stellt uns die wesentlichen Fragen, die das Herz wieder für die Hoffnung öffnen. Er hat uns in bezug auf sein und unser Schicksal vieles zu erklären. Vor allem offenbart er, dass jedes menschliche Dasein durch sein Kreuz hindurchgehen muss, um in die Herrlichkeit einzugehen. Christus bewirkt aber noch mehr: Er bricht für uns das Brot des Miteinander-Teilens und bietet das eucharistische Mahl an, worin die Schrift ihren vollen Sinn erlangt und die einzigartigen und strahlenden Züge des Angesichts des Erlösers enthüllt werden.

4. Nachdem wir das Antlitz des auferstandenen Christus erkannt und betrachtet haben, sind auch wir – wie die beiden Jünger – aufgefordert, zu unseren Brüdern zu gehen, um allen die große Botschaft zu bringen: »Wir haben den Herrn gesehen« (Joh 20,25).

»In seiner Auferstehung ist das Leben für alle erstanden« (Präfation II für die Osterzeit): Dies ist die frohe Botschaft, und die Jünger Christi werden nicht müde, sie – in erster Linie durch das Zeugnis des eigenen Lebens – der Welt zu bringen. Dies ist das schönste Geschenk, das unsere Brüder in dieser Osterzeit von uns erwarten.

Lassen wir uns also von der Faszination der Auferstehung Christi einnehmen. Die Jungfrau Maria helfe uns, die Osterfreude voll auszukosten: eine Freude, die uns nach der Verheißung des Auferstandenen niemand nehmen kann und die kein Ende hat (vgl. Joh 16,22).

Generalaudienz, 18. April 2001