15.10.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zum Gespür für das Mysterium

Gewisse Symptome lassen ein Schwinden des Sinnes für das Mysterium sogar in den liturgischen Feiern erkennen, die doch gerade in das Mysterium einführen sollten. Es ist daher dringend nötig, dass in der Kirche wieder ein echtes Gespür für die Liturgie erwacht. Die Liturgie ist, wie von den Synodenvätern in Erinnerung gerufen, ein Hilfsmittel zur Heiligung; sie ist Feier des Glaubens der Kirche und Medium zur Weitergabe des Glaubens. Zusammen mit der Heiligen Schrift und den Lehren der Kirchenväter ist sie die lebendige Quelle echter, solider Spiritualität. Durch sie treten die Gläubigen – wie dies auch die Tradition der ehrwürdigen Ostkirchen deutlich hervorhebt – in Gemeinschaft mit der Heiligsten Dreifaltigkeit, und erfahren ihre Teilhabe an der göttlichen Natur als Gnadengabe. Die Liturgie wird so zur Vorwegnahme der endzeitlichen Seligkeit und zur Teilhabe an der himmlischen Herrlichkeit.

In den liturgischen Feiern müssen wir Jesus wieder in den Mittelpunkt stellen, um uns von ihm erleuchten und leiten zu lassen. Hier können wir eine der stärksten Antworten finden, die unsere Gemeinden auf eine vage und inhaltslose Religiosität zu geben berufen sind. Der Zweck der Liturgie der Kirche liegt nicht in der Befriedigung der Wünsche und der Besänftigung der Ängste des Menschen, sondern im Hören und Empfangen Jesu, des Lebendigen, der den Vater ehrt und preist, um so mit Jesus den Vater zu lobpreisen und zu ehren. Die kirchlichen Gottesdienste verkünden, dass unsere Hoffnung von Gott her zu uns kommt, und zwar durch unseren Herrn Jesus.

Es geht darum, die Liturgie als Werk der Dreifaltigkeit zu leben. Der Vater handelt für uns in den gefeierten Geheimnissen; er ist es, der zu uns spricht, uns vergibt, uns anhört, uns seinen Geist schenkt. An ihn wenden wir uns, auf ihn hören wir, ihn preisen wir und ihn rufen wir an. Jesus setzt sich für unsere Heiligung ein, indem er uns an seinem Mysterium teilhaben läßt. Der Heilige Geist wirkt mit seiner Gnade und macht uns zum Leib Christi, zur Kirche.

Die Liturgie muss als Ankündigung und Vorwegnahme der künftigen Herrlichkeit, als End- und Zielpunkt unserer Hoffnung, gelebt werden. Denn wie das Konzil lehrt, »nehmen wir in der irdischen Liturgie vorauskostend an jener himmlischen Liturgie teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird, zu der wir pilgernd unterwegs sind [...], bis Christus erscheint als unser Leben und wir mit ihm erscheinen in Herrlichkeit« .