11.09.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zur Läuterung der Herzen

Aber das Ziel von Gottes Handeln ist nie die Zerstörung, die reine, einfache Verurteilung und die Vernichtung des Sünders. Deshalb teilt der Prophet Ezechiel diese Worte des Herrn mit: »Habe ich etwa Gefallen am Tod des Schuldigen … und nicht vielmehr daran, dass er seine bösen Wege verläßt und so am Leben bleibt? … Ich habe doch kein Gefallen am Tod dessen, der sterben muss … Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt« (18,23.32). In diesem Licht versteht man die Bedeutung unseres Canticum, das voller Hoffnung und Heil ist. Nach der Läuterung und Prüfung durch Leiden bricht die Morgenröte einer neuen Zeit an, die schon der Prophet Jeremia angekündigt hatte, als er von einem »neuen Bund« zwischen dem Herrn und Israel sprach (vgl. 31,31–34). Ezechiel hatte in Kapitel 11 seines prophetischen Buches diese Worte Gottes verkündet: »Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen einen neuen Geist. Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch, damit sie nach meinen Gesetzen leben und auf meine Rechtsvorschriften achten und sie erfüllen. Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein« (11,19–20).

In unserem Canticum (vgl. Ez 36,24–28) greift der Prophet diesen Spruch wieder auf und schließt ihn mit einer wunderbaren erklärenden Aussage: der »neue Geist«, den Gott den Kindern seines Volkes gegeben hat, wird sein Geist sein, der Geist Gottes (vgl. V. 27).

Angekündigt wird also nicht nur eine Läuterung, ausgedrückt durch das Zeichen des Wassers, das die Flecken des Gewissens tilgt. Man hat nicht nur den wenn auch notwendigen Aspekt der Befreiung vom Bösen und von der Sünde vor sich (vgl. V. 25). Die Betonung in Ezechiels Botschaft liegt auf einem anderen weit überraschenderen Aspekt. In der Tat ist die Menschheit dazu bestimmt, zu einem neuen Dasein geboren zu werden. Das erste Symbol ist das des »Herzens«, das in der biblischen Sprache auf die Innerlichkeit, auf das persönliche Gewissen hinweist. Aus unserer Brust wird das kalte und gefühllose »Herz von Stein«, das Zeichen der Verhärtung im Bösen, herausgerissen. Gott wird uns ein »Herz von Fleisch« geben, das heißt ein Herz voll Leben und Liebe (vgl. V. 26). Anstelle des lebendigen Geistes, der uns in der Schöpfung zu lebenden Menschen gemacht hatte (vgl. Gen 2,7), wird in der neuen Heilsökonomie der Heilige Geist treten, der uns stützt, uns bewegt, uns zum Licht der Wahrheit, zur »Liebe Gottes in unsern Herzen« führt (Röm 5,5).

So wird die »neue Schöpfung« entstehen, die der Apostel Paulus beschreibt (vgl. 2 Kor 5,17; Gal 6,15), wenn er den Tod des »alten Menschen «, des »sündigen Leibes«, bestätigt, so dass wir »nicht mehr Sklaven der Sünde«, sondern neue, vom Geist des auferstandenen Christus verwandelte Menschen sind: »Ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt und seid zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen« (Kol 3,9–10; vgl. Röm 6,6). Der Prophet Ezechiel kündigt ein neues Volk an, das im Neuen Testament von Gott selbst durch das Werk seines Sohnes zusammengerufen wird. Diese Gemeinschaft der »Herzen von Fleisch« und des eingegossenen »Geistes« wird die lebendige und wirksame Gegenwart Gottes erfahren, die die Gläubigen beseelt, indem sie in ihnen durch die wirksame Gnade handelt. »Wer seine Gebote hält, bleibt in Gott und Gott in ihm. Und dass er in uns bleibt, erkennen wir an dem Geist, den er uns gegeben hat« (1 Joh 3,24)