09.08.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zur Tagesheiligen Edith Stein (Hl. Teresia Benedicta vom Kreuz)

Die heilige Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz ist zu der Erkenntnis gelangt, dass die Liebe Christi und die Freiheit des Menschen ineinandergreifen; denn auch Liebe und Wahrheit gehören innerlich zusammen. Die Suche nach Wahrheit und deren Vermittlung in Liebe waren für sie kein Gegensatz. Im Gegenteil: Sie hat verstanden, dass beide einander brauchen.

In unseren Tagen wird Wahrheit vielfach mit Mehrheit verwechselt. Zudem ist die Überzeugung verbreitet, in bestimmten Fällen Wahrheit und Liebe gegeneinander ausspielen zu müssen. Aber Wahrheit und Liebe sind aufeinander angewiesen. Schwester Teresia Benedicta ist dafür eine Zeugin: Von keinem ließ sich die „Märtyrin aus Liebe”, die ihr Leben für ihre Freunde hingab, in der Liebe übertreffen. Zugleich aber hat sie um die Wahrheit gerungen, von der sie schreibt: „Kein geistiges Werk kommt ja ohne schwere Wehen zur Welt. Es will auch immer den ganzen Menschen in Anspruch nehmen”.

Schwester Teresia Benedicta vom Kreuz sagt uns allen: Akzeptiert nichts als Wahrheit, was ohne Liebe ist. Aber akzeptiert auch nichts als Liebe, was ohne Wahrheit ist! Eines ohne das andere wird zur Lüge, die zerstört.

Schließlich weist uns die heilige Teresia Benedicta vom Kreuz darauf hin, dass die Liebe Christi sich im Leiden bewähren muss. Wer wirklich liebt, der bleibt auch vor dem Leiden nicht stehen. Der Liebende stellt sich in die Leidensgemeinschaft mit dem Geliebten.

Edith Stein war sich dessen bewusst, was ihre jüdische Herkunft mit sich bringen sollte, und drückte es treffend aus: „Unter dem Kreuz verstand ich das Schicksal des Volkes Gottes. (...) gewiss weiß ich heute mehr davon, was es heißt, dem Herrn im Zeichen des Kreuzes vermählt zu sein. Mit der Vernunft allein wird man es niemals begreifen, weil es ein Geheimnis ist”.

Das Geheimnis des Kreuzes hat allmählich ihr ganzes Leben umfaßt und ihr die höchste Hingabe abverlangt. Als am Kreuz Vermählte hat sie nicht nur tiefgreifende Seiten über die „Kreuzeswissenschaft” verfaßt, sondern ist die Schule des Kreuzes zu Ende gegangen. Viele unserer Zeitgenossen wollen das Kreuz zum Schweigen bringen. Aber nichts ist sprechender als das totgeschwiegene Kreuz! Die wahre Botschaft des Leidens ist eine Lektion der Liebe. Die Liebe befruchtet das Leiden; und das Leiden vertieft die Liebe.

Durch die Erfahrung des Kreuzes hat sich für Edith Stein zugleich ein Weg geöffnet für eine neue Begegnung mit dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus. Für sie gehörten Glaube und Kreuz untrennbar zusammen; sie leuchten einander aus. In der Schule des Kreuzes gereift, durfte sie entdecken, welchen Wurzeln sich ihr Lebensbaum verdankt. Sie hat begriffen, wieviel es ihr bedeutet, „Tochter des auserwählten Volkes zu sein, nicht nur geistig, sondern auch blutsmäßig zu Christus zu gehören”.