08.10.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zu Besonderheiten und Erfordernissen des Reiches Gottes

Jesus offenbart nach und nach die Besonderheiten und Erfordernisse des Reiches durch sein Wort, durch sein Handeln und überhaupt durch seine Person.

Das Reich Gottes ist für alle Menschen bestimmt, da alle dazu berufen sind, darin eingegliedert zu werden. Um diesen Aspekt hervorzuheben hat Jesus sich insbesondere jenen zugewandt, die am Rande der Gesellschaft existieren. Er gab ihnen bei seiner Verkündigung der frohen Botschaft den Vorzug. Am Anfang seiner Tätigkeit verkündete er, dass er gesandt sei, den Armen eine gute Nachricht zu bringen (vgl. Lk 4, 18). Allen, die Opfer von Ablehnung und Verachtung geworden sind, erklärt er: »Selig die Armen« (Lk 6, 20); darüberhinaus ermöglicht er diesen Randexistenzen eine Erfahrung der Befreiung, indem er bei ihnen ist und mit ihnen Mahl hält (vgl. Lk 5, 30; 15, 2), sie als gleichwertig und als Freunde behandelt (vgl. Lk 7, 34), sie merken läßt, dass sie von Gott geliebt sind, und auf diese Weise offenbart er sein grenzenlos zartfühlendes Herz gegenüber den Bedürftigen und Sündern (vgl. Lk 15, 1-32).

Befreiung und Heil im Reich Gottes betreffen die menschliche Person in ihrer physischen wie geistigen Dimension. Zwei Tätigkeiten Jesu sind für seine Sendung bezeichnend: heilen und vergeben. Die zahlreichen Heilungen zeigen sein großes Mitleid angesichts menschlichen Elendes; sie tun aber auch kund, dass es im Reich weder Krankheit noch Leid geben wird und dass seine Sendung von Anfang an darauf abzielt, die Menschen davon zu befreien. In der Sicht Jesu sind die Heilungen auch Zeichen für das geistliche Heil, die Befreiung von der Sünde. Wenn Jesus Krankenheilungen vollbringt, so ruft er zum Glauben, zur Bekehrung, zum Verlangen nach Verzeihung (vgl. Lk 5, 24). Ist der Glaube da, so will die Heilung mehr erreichen: sie führt zur Heilssituation (vgl. Lk 18, 42-43). Die Befreiung von Besessenheit und Dämonen, äußerstes Übel und sichtbarer Ausdruck der Sünde und der Auflehnung gegen Gott, ist Zeichen dafür, dass »das Reich Gottes zu euch gekommen ist« (Mt 12, 28).

Das Reich ist darauf angelegt, die Beziehungen unter den Menschen zu verändern und verwirklicht sich schrittweise insofern sie lernen einander zu lieben, einander zu vergeben und einander zu dienen. Jesus nimmt das ganze Gesetz auf und gibt ihm im Gebot der Liebe seine Mitte (vgl. Mt 22, 34-40; Lk 10, 25-28). Bevor er von den Seinen scheidet, gibt er ihnen ein »neues Gebot«: »Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben« (Joh 13, 14; vgl. 15, 12). Die Liebe, mit der Jesus die Welt geliebt hat, findet ihren höchsten Ausdruck in der Hingabe seines Lebens für die Menschen (vgl. Joh 3, 16). Darum ist die Natur des Reiches die Gemeinschaft aller Menschen untereinander und mit Gott.

Das Reich bezieht alle ein: die einzelnen, die Gesellschaft, die ganze Welt. Für das Reich wirken bedeutet Anerkennung und Förderung der göttlichen Dynamik, die in der Geschichte der Menschheit anwesend ist und sie umformt. Das Reich aufbauen bedeutet arbeiten zur Befreiung vom Übel in allen seinen Formen. Das Reich Gottes ist letztlich die Offenbarung und Verwirklichung seiner Heilsabsicht in ganzer Fülle.