07.06.2017

Hier die Worte aus dem ersten Brief des Apostels Petrus: »Ihr wißt, dass ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel«. Der Apostel Paulus wird in seinem Brief an die Galater sagen: »Er hat sich für unsere Sünden hingegeben, um uns aus der gegenwärtigen bösen Welt zu befreien«, und im Brief an die Korinther: »Denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib«.

Mit diesen und ähnlichen Worten sprechen die Zeugen des Neuen Bundes von der Größe der Erlösung, die durch das Leiden Christi vollbracht wurde. Der Erlöser hat an Stelle des Menschen und für den Menschen gelitten. Jeder Mensch hat auf seine Weise teil an der Erlösung. Jeder ist auch zur Teilhabe an jenem Leiden aufgerufen, durch das die Erlösung vollzogen wurde. Er ist zur Teilhabe an jenem Leiden gerufen, durch das zugleich jedes menschliche Leiden erlöst worden ist. Indem er die Erlösung durch das Leiden bewirkte, hat Christus gleichzeitig das menschliche Leiden auf die Ebene der Erlösung gehoben. Darum kann auch jeder Mensch durch sein Leiden am erlösenden Leiden Christi teilhaben.

Die Texte des Neuen Testaments bringen diese Auffassung an vielen SteIlen zum Ausdruck. Im zweiten Brief an die Korinther schreibt der Apostel: »Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum; wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht; wir werden gehetzt und sind doch nicht verlassen; wir werden niedergestreckt und doch nicht vernichtet. Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Christi an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird. Denn immer werden wir, obgleich wir leben, um Jesu willen dem Tod ausgeliefert, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird... Denn wir wissen, dass der, welcher Jesus, den Herrn, auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken wird«.

Der hl. Paulus spricht hier von den verschiedenen Leiden und insbesondere von jenen, an welchen die ersten Christen »um Jesu willen« teilhatten. Diese Leiden ermöglichen es den Empfängern jenes Briefes, an dem Erlösungswerk teilzuhaben, das durch die Leiden und den Tod des Erlösers vollbracht wurde. Die Sprache des Kreuzes und des Todeswird jedoch durch die Sprache der Auferstehung vervollständigt. Der Mensch findet in der Auferstehung ein völlig neues Licht, das ihm hilft, sich einen Weg durch das tiefe Dunkel der Demütigungen, der Zweifel, der Verzweiflung und der Verfolgung zu bahnen. Deshalb schreibt auch der Apostel im zweiten Korintherbrief: »Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil«. An anderer Stelle wendet er sich mit Worten der Ermutigung an die Empfänger des Briefes: »Der Herr richte euer Herz darauf, dass ihr Gott liebt und unbeirrt auf Christus wartet«. Im Brief an die Römer schreibt er: »Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst«.

Die Teilnahme am Leiden Christi erlangt in diesen Äußerungen des Apostels gleichsam eine doppelte Dimension. Wenn ein Mensch an den Leiden Christi teilhat, dann deshalb, weil Christus sein Leiden dem Menschen geöffnet hat; weil er in seinem Erlöserleiden gewissermaßen selbst an allen menschlichen Leiden teilhat. Wenn der Mensch im Glauben das Erlöserleiden Christi entdeckt, findet er darin zugleich seine eigenen Leiden; im Glauben sieht er sie nun bereichert durch einen neuen Inhalt und eine neue Bedeutung.

Diese Entdeckung läßt den hl. Paulus im Galaterbrief besonders starke Worte finden: »Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat«. Der Glaube läßt den Verfasser dieser Worte jene Liebe erkennen, die Christus ans Kreuz gebracht hat. Und wenn er im Leiden und Sterben so geliebt hat, dann lebt er mit seinem Leiden und Tod in dem, den er so geliebt hat; er lebt im Menschen: in Paulus. Und indem er in ihm lebt — während Paulus, durch den Glauben dessen bewusst, diese Liebe mit Liebe beantwortet -, wird Christus auch in besonderer Weise durch das Kreuz mit dem Menschen, mit Paulus, verbunden. Diese Verbundenheit veranlaßte Paulus im selben Galaterbrief noch zu weiteren, nicht minder starken Worten: »Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt«.

Das Kreuz Christi wirft auf solch eindringliche Weise ein heilbringendes Licht auf das Leben und insbesondere auf das Leiden des Menschen, weil dieses Licht im Glauben zusammen mit der Auferstehung zu ihm gelangt: Das Passionsgeheimnis ist vom Ostergeheimnis umfangen. Die Zeugen des Leidens Christi sind zugleich Zeugen seiner Auferstehung. Paulus schreibt: »Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen«. Der Apostel hat tatsächlich zuerst »die Macht der Auferstehung« Christi auf dem Weg nach Damaskus erlebt; erst in der Folge gelangte er in diesem österlichen Licht zu jener »Gemeinschaft mit seinen Leiden«, von der er zum Beispiel im Galaterbrief spricht. Der Weg des Paulus ist deutlich österlich: Zur Gemeinschaft mit dem Kreuz Christi kommt er durch die Erfahrung des Auferstandenen, durch eine besondere Teilhabe also an der Auferstehung. Darum ist auch in den Aussagen des Apostels zum Thema des Leidens so häufig das Motiv der Herrlichkeit zu finden, die im Kreuz Christi ihren Anfang nimmt.

Die Zeugen von Kreuz und Auferstehung waren überzeugt, dass sie »durch viele Drangsale in das Himmelreich gelangen müssen«. In seinem zweiten Brief an die Thessalonicher sagt es Paulus so: »Wir können... mit Stolz auf euch hinweisen, weil ihr im Glauben standhaft bleibt bei aller Verfolgung und Bedrängnis, die ihr zu ertragen habt. Dies ist ein Anzeichen des gerechten Gerichtes Gottes; ihr sollt ja des Reiches Gottes teilhaftig werden, für das ihr leidet«. So ist also die Teilhabe an den Leiden Christi zugleich ein Leiden um des Himmelreiches willen. Vor dem gerechten Gott und seinem Urteilsspruch werden alle, die an den Leiden Christi teilhaben, dieses Reiches würdig. Durch ihre Leiden erstatten sie gewissermaßen den unendlichen Preis des Leidens und Sterbens Christi zurück, der zum Preis für unsere Erlösung wurde: Um diesen Preis hat sich das Reich Gottes in der Geschichte des Menschen neu gefestigt und ist zur endgültigen Perspektive seines irdischen Daseins geworden. Christus hat uns durch sein Leiden in dieses Reich eingeführt, und durch das Leiden reifen dafür die Menschen, die vom Erlösungsgeheimnis Christi umfangen sind.