06.06.2017

Einwirkung der Gaben des Heiligen Geistes auf den Menschen

Durch den Geist macht Gott sich mit der Person vertraut und dringt immer mehr in die Welt des Menschen ein: »Der dreieinige Gott, der in sich selbst als transzendente Wirklichkeit eines interpersonalen Geschenkes „existiert“, verwandelt, indem er sich im Heiligen Geist dem Menschen als Geschenk mitteilt, die Welt des Menschen von innen her, vom Innern der Herzen und der Gewissen« (Dominum et vivificantem, 59).

Diese Wahrheit führt in der großen scholastischen Tradition dazu, dem Wirken des Heiligen Geistes im menschlichen Leben den Vorrang zu geben und die Heilsinitiative Gottes im moralischen Leben hervorzuheben: Ohne unsere Persönlichkeit

auszulöschen und ohne uns der Freiheit zu berauben, erlöst er uns in einer Art, die unsere Erwartungen und Pläne übersteigt. Die Gaben des Heiligen Geistes gehen in diese Logik ein und sind »Vervollkommnungen des Menschen, die ihn dafür bereiten, der göttlichen Bewegung willig zu folgen« (Thomas von Aquin, Summa Theologiae I-II, q. 68, a. 2).

Mit den sieben Gaben wird dem Gläubigen in der Freiheit, die den Kindern Gottes eigen ist, die Möglichkeit zu einer innigen persönlichen Beziehung zum Vater gegeben. Das unterstreicht der hl. Thomas, indem er beschreibt, wie der Heilige Geist uns anleitet, nicht aus Zwang, sondern aus Liebe zu handeln: »Die Kinder Gottes« — so stellt er fest — »werden vom Heiligen Geist in Freiheit bewegt, aus Liebe, nicht als Knechte aus Furcht« (Contra Gentes, IV, 22). Der Geist macht das Tun des Christen gottförmig, was bedeutet, dass es im Einklang steht mit der göttlichen Weise zu denken, zu lieben und zu handeln. Auf diese Weise wird der Gläubige zu einem erkennbaren Zeichen der Heiligsten Dreifaltigkeit in der Welt. Gestützt von der Freundschaft des Parakleten, vom Licht des Wortes und von der Liebe des Vaters, kann er sich mutig vornehmen, die göttliche Vollkommenheit nachzuahmen (vgl. Mt 5,48).

Der Geist übt seinen Einfluß in zwei Bereichen aus, woran mein ehrwürdiger Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., erinnert hat: »Der erste Bereich ist derjenige der einzelnen Seelen ..., unser Ich: in dieser uns selbst oft unbekannten innersten Kammer unserer Existenz tritt das Wehen des Heiligen Geistes ein; er breitet sich in der Seele durch jenes erste und höchste Charisma aus, das wir Gnade nennen. Sie ist wie ein neues Leben und macht die Seele unverzüglich zu Handlungen fähig, die ihre natürliche Leistungsfähigkeit übersteigen«. Der zweite Bereich, »in dem sich die Tugend von Pfingsten ausbreitet«, ist »der sichtbare Leib der Kirche ... gewiss weht der Geist, wo er will (vgl. Joh 3,8); aber in der von Christus eingesetzten Heilsökonomie durchläuft der Heilige Geist den Kanal des apostolischen Amtes«. Kraft dieses Amtes wird den Priestern die Vollmacht gegeben, den Heiligen Geist den Gläubigen zu vermitteln. Dies geschieht »in der authentischen Verkündigung des Wortes Gottes, zu der sie beauftragt sind, in der Leitung des christlichen Volkes und in der Spendung der Sakramente (vgl. 1 Kor 4,1), der Quellen der Gnade, das heißt des heiligmachenden Wirkens des Parakleten« (Homilie zum Pfingstfest, 25. Mai 1969).