05.06.2017

Hl. Papst Johannes Paul II.: Der Heilige Geist ist die Liebe Gottes und (ungeschaffenes) Geschenk

Es ist charakteristisch für den johanneischen Text, dass dort der Vater, der Sohn und der Heilige Geist deutlich als Personen genannt werden, von denen die erste von der zweiten und dritten unterschieden ist, ebenso wie diese beiden untereinander. Jesus spricht vom Geist, dem Beistand, indem er mehrmals das personale Fürwort »er« benutzt; zugleich offenbart er in der gesamten Abschiedsrede die Bindungen, die den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist untereinander vereinen. So »geht der Geist ... vom Vater aus« , und der Vater »gibt« den Geist. Der Vater »sendet« den Geist im Namen des Sohnes, der Geist »legt Zeugnis ab« für den Sohn. Der Sohn bittet den Vater, den Geist als Beistand zu senden, aber ebenso schenkt er uns im Blick auf sein »Fortgehen« durch das Kreuz die Verheißung: »Wenn ich fortgehe, werde ich ihn zu euch senden«. Der Vater sendet also den Heiligen Geist kraft seiner Vaterschaft, wie er auch den Sohn gesandt hat; zugleich aber sendet er ihn kraft der von Christus gewirkten Erlösung – und in diesem Sinne wird der Heilige Geist auch vom Sohn gesandt: »Ich werde ihn zu euch senden«.

Während alle anderen Verheißungen des Abendmahlssaals das Kommen des Heiligen Geistes einfach für die Zeit nach dem Fortgang Christi ankündigen, so gilt hier zu bemerken, dass die Verheißung des Textes Joh 16, 7f. klar auch die Beziehung der Abhängigkeit, fast möchte man sagen, der Ursächlichkeit, zwischen dem Eintreten des einen und des anderen Ereignisses einschließt und betont: »Wenn ich aber fortgehe, so werde ich ihn zu euch senden«. Der Heilige Geist wird kommen, insofern Christus durch den Kreuzestod fortgeht: Er wird nicht nur nach, sondern aufgrund der Erlösung kommen, die Christus nach dem Willen und durch das Handeln des Vaters gewirkt hat.

In der österlichen Abschiedsrede erreichen wir also – so können wir sagen – den Höhepunkt der Offenbarung der Dreifaltigkeit. Zugleich stehen wir kurz vor endgültigen Ereignissen und höchst entscheidenden Worten, die schließlich in den großen missionarischen Auftrag einmünden werden, der sich an die Apostel und durch sie an die Kirche richtet: »Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern«, ein Auftrag, der in etwa bereits die trinitarische Taufformel enthält: »Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«. Diese Formel verweist auf das innerste Geheimnis Gottes und seines göttlichen Lebens: Vater, Sohn und Heiliger Geist, göttliche Einheit in Dreifaltigkeit. Man kann die Abschiedsrede lesen als eine besondere Vorbereitung auf diese trinitarische Formel, in der sich die lebenspendende Kraft des Sakramentes ausdrückt, das die Teilhabe am Leben des dreieinigen Gottes bewirkt, indem es dem Menschen die heiligmachende Gnade als übernatürliche Gabe schenkt. Durch sie wird er berufen und »befähigt«, am unerforschlichen Leben Gottes teilzuhaben.

In seinem inneren Leben ist Gott Liebe, wesenhafte Liebe, die den drei göttlichen Personen gemeinsam ist: Die personhafte Liebe aber ist der Heilige Geist als Geist des Vaters und des Sohnes. Daher »ergründet (er) die Tiefen Gottes« als ungeschaffene Liebe, die sich verschenkt. Man kann sagen, dass im Heiligen Geist das innere Leben des dreieinigen Gottes ganz zur Gabe wird, zum Austausch gegenseitiger Liebe unter den göttlichen Personen, und dass Gott durch den Heiligen Geist als Geschenk existiert. Der Heilige Geist ist der personale Ausdruck dieses gegenseitigen Sich-Schenkens, dieses Seins als Liebe. Er ist die Liebe als Person. Er ist Geschenk als Person. Wir stehen hier vor einem unergründlichen Reichtum der Wirklichkeit und vor einer unsagbaren Vertiefung des Begriffes von Person in Gott, wie nur die göttliche Offenbarung sie uns erkennen läßt.

Weil eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn in seiner Göttlichkeit, ist der Heilige Geist zugleich Liebe und (ungeschaffenes) Geschenk, aus dem wie aus einer Quelle (»fons vivus« – lebendiger Quell) jegliche Gabe an die Geschöpfe entspringt (geschaffenes Geschenk): das Geschenk der Existenz für alle Dinge durch die Schöpfung; das Geschenk der Gnade für die Menschen durch die gesamte Heilsökonomie. Wie der Apostel Paulus schreibt: »Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist».