01.10.2017

Hl. Papst Johannes Paul II. zu Therese von Lisieux, Kirchenlehrerin und Tagesheilige

Theresia besitzt eine einzigartige Universalität. Ihre Person, ihre evangelische Botschaft vom »kleinen Weg« des Vertrauens und der geistlichen Kindschaft haben eine überraschende, alle Grenzen überschreitende Aufnahme gefunden und finden sie auch weiterhin.

Vor allem ist Theresia eine Frau, die, wenn sie sich mit dem Evangelium befaßte, ihm seine verborgenen Reichtümer zu entnehmen verstand, so konkret und mit so tiefer Resonanz im Leben und Denken, wie es dem weiblichen Genius im allgemeinen eigen ist. Aus der Schar der heiligen Frauen, in denen die Weisheit des Evangeliums hell aufleuchtet, ragt Theresia wegen ihrer Universalität hervor.

Ferner ist sie eine kontemplative Frau. In der Verborgenheit ihres Karmels lebte sie so das große Abenteuer christlicher Erfahrung, dass sie die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe der Liebe Christi kennenlernte (vgl. Eph 3,18–19). Gott hat nicht gewollt, dass ihre Geheimnisse verborgen blieben, darum würdigte er Theresia, das Geheimnis des Königs zu offenbaren (vgl. Ms C 2v). Durch ihr Leben bietet Theresia ein Zeugnis und eine theologische Erläuterung der Schönheit des kontemplativen Lebens als Ganzhingabe an Christus, den Bräutigam der Kirche, und als lebendige Bestätigung des Primates Gottes in allem. Ihr verborgenes Leben hat eine geheimnisvolle Fruchtbarkeit für die Ausbreitung des Glaubens und erfüllt die Kirche und die Welt mit dem Wohlgeruch Christi (vgl. Briefe 169, 2v).

Theresia von Lisieux ist eine Jugendliche. Sie ist in ihrer blühenden Jugend zur Reife der Heiligkeit gelangt. Sie stellt sich daher als eine Lehrerin des Lebens nach dem Evangelium dar, die überaus geeignet ist, die Wege der Jugendlichen zu erleuchten, deren Aufgabe es sein wird, unter den kommenden Generationen das Evangelium zu leben und zu bezeugen.

Theresia vom Kinde Jesus ist nicht nur ihrem Alter nach die jüngste Kirchenlehrerin, sondern sie steht uns auch zeitlich am nächsten und unterstreicht damit sozusagen die Kontinuität, mit der der Geist des Herrn der Kirche seine Boten, Männer und Frauen, als Lehrer und Zeugen des Glaubens sendet. Denn bei all ihrer Verschiedenartigkeit, die sich im Lauf der Geschichte feststellen läßt, und bei deren mannigfaltigen Auswirkungen im Leben und Denken der Menschen in den einzelnen Epochen dürfen wir nicht das fortlaufende Band unbeachtet lassen, das die Kirchenlehrer miteinander verbindet: In jedem geschichtlichen Kontext bleiben sie Zeugen jenes Evangeliums, das niemals verändert wird, und mit dem Licht und der Kraft, die ihnen der Heilige Geist gewährt, werden sie seine Boten und verkünden den Menschen ihrer Zeit dieses Evangelium in seiner ganzen Reinheit. Theresia ist Lehrmeisterin für unsere Zeit, die nach lebendigen und wesentlichen Worten, nach heroischen und glaubhaften Zeugnissen dürstet.